Kurzkritik:Selbstbewusst

Die Zwillingsbrüder Alex und Heiko Jung in der Unterfahrt

Von Ralf Dombrowski

Nach dem Konzert stand ein älterer Musikenthusiast am Gangtresen der Unterfahrt und echauffierte sich. Wie gut es die jungen Leute heute hätten! Sie würden fotografiert, dokumentiert und in die ganze Welt kommuniziert, wohingegen es von ihm, der in der Siebzigern viel in München getrommelt habe, nur ein einziges brauchbares Bild gäbe. Damals sei alles ganz anders gewesen, irgendwie ehrlicher, authentischer, die Umsetzung des Freiheitsgedankens auf das begeisterte Amateurtum der Freaks.

Ein Korn Wahrheit mag bei solch rückwärtsgewandten Utopien dabei sein, einfacher allerdings haben es junge Musiker heute nicht. Sie sind nur besser ausgebildet als anno dazumal und haben die Aufgabe, sich angesichts umfassend zugänglicher Historie, internationaler Konkurrenz und eines in seiner merkantilen Form havarierten Musikbusiness ein Profil zu erarbeiten. Eine übermächtige Herausforderung, außer man lässt sich weitgehend unbeeindruckt von den Säulenheiligen und den berghohen Ansprüchen einfach von den eigenen Vorlieben treiben.

Nun hat auch der Münchner Gitarrist Alex Jung seine Helden: Pat Martino, John Scofield, vielleicht auch ein wenig seinen ehemaligen Lehrer Peter O'Mara. Aber sie fließen eher als Inspirationen denn als Orientierungen in sein Spiel ein. Längst selbst als Dozent etwa an der Neuen Jazzschool München aktiv, leistet er sich zusammen mit seinem Bruder, dem Bassisten Heiko Jung, und dem Schlagzeuger Matthias Gmelin ein Trio alter Schule, das ohne viel technischen Schnickschnack dem Spaß am Variieren einer möglichst indigenen Jazzsprache frönt.

Nur selten zerrt der Sound, oder ein Hauch von Loops klingt an, der Rest ist klares, ausgefeiltes Gitarrenspiel und fortgeschrittenes akkordisches Jonglieren. Jung arbeitet kompositorisch mit den Grenzen der Songform und befüllt seine Stücke mit möglichst lässigen Strukturopulenzen, auf der anderen Seite mit weit ausladenden, aber nicht ins Abstrakte mündenden Improvisationen.

Sein Bruder Heiko hält mit sechssaitiger, in den Soli gitarristisch melodischer Bassgitarre mit, hat auf der anderen Seite ebenso rockigen Wumms im Repertoire und die Tendenz zum groovend geschmeidigen Phrasieren seiner Linien. Gmelin schließlich fügt sich in die Gespräche der Brüder und ergänzt sie um ein aufmerksam und humorvoll kommunizierendes rhythmisches Fundament. Das Alles klingt nicht neu, aber souverän und selbstbewusst, eine pointierte Transformation der Tradition.

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