Kurzkritik:Schweigsam

Der rätselhafte Bob Dylan in der Augsburger Schwabenhalle

Von Jürgen Moises, Augsburg

Ist das der Oscar, den Bob Dylan für "Things Have Changed" bekommen hat? Diese Frage kommt einem in der fast ausverkauften Augsburger Schwabenhalle angesichts einer Statuette in den Sinn, die etwas versteckt rechts vom Klavier steht. Auch die Büste gleich daneben gibt gewisse Rätsel auf. Ein Verweis auf die eigene Klassizität oder den erhaltenen Nobelpreis? Dass man sich über so etwas Gedanken macht, hat vermutlich damit zu tun, dass der 77-Jährige nur noch über Songs mit seinem Publikum kommuniziert. Davor, dazwischen und danach herrscht Schweigen. Weswegen man gerne auch das Bühnenoutfit als Botschaft interpretiert. Ein golden schimmerndes Jackett? Aha, der Meister ist gut drauf. Und tatsächlich glaubt man ihn im Laufe des fast zweistündigen Auftritts immer wieder mal kurz lächeln zu sehen.

Begonnen wird das Konzert, das unter dem Halbrund aus großen Vintage-Scheinwerfern einen Bogen vom 2012er-Album "Tempest" bis zurück in die 60er-Jahre spannt, wie viele andere auf der Never Ending Tour mit dem erwähnten "Things Have Changed". Auch das eine Botschaft: Das einzig Beständige ist die Veränderung. Und bekanntlich macht sich Dylan einen Spaß daraus, seine Songs live ständig zu variieren. Mit am stärksten trifft es diesmal "Gotta Serve Somebody", das Dylan und seine vierköpfige Band als ersten Rausschmeißer in eine Rock'n'Roll-Nummer verwandeln, und das als Zugabe gespielte "Blowin' in the Wind", das als Countryfolk-Ballade einen neuen Rhythmus kriegt. "When I Paint My Masterpiece" startet als Barpiano-Klimper-Nummer, deren Chorus Dylan verschmitzt mit tiefer Stimme weggrummelt.

Ein Höhepunkt: die dunkle Ballade "Scarlet Town". Das einzige Stück, dass Dylan frei stehend bei seiner Band singt. Ansonsten steht oder sitzt er vorne am Klavier. Ab und zu zückt er die Mundharmonika und bekommt Szenenapplaus. Auch sehr schön: die rockige Version von "Like A Rolling Stone", bei der Zuschauer sogar mitklatschen, während sonst meist, passend zur Messehalle, eine andächtige Stimmung wie bei einer Ostermesse herrscht. Auch das rigide Film- und Fotografier-Verbot sorgt nicht gerade für Lockerheit. Dafür wagt der Meister selbst bei "Gotta Serve Somebody" ein paar Tanzschritte, und nach der zweiten Zugabe "It Takes A Lot To Laugh ..." folgt eine artige Verbeugung. Dann ist Bob Dylan weg und gleich darauf die Büste und die Statuette. Ohne dass man noch überprüfen konnte, ob es wirklich der Oscar ist.

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