"Come fill, fill, my good fellow!", singt die Stimme laut und kräftig, "schenk ein, mein guter Junge!" Ein rauschhafter Wirbel aus Geige, Cello, Klavier und Gesang. Man sitzt in einem Pub, neben den Musikern, ein Glas in der Hand, es ist laut, stickig, und alle sind angenehm aufgekratzt - das ist in diesem Moment mehr als nur Fantasie, es fühlt sich echt an. Dass man nach dem Schlusston wieder im Johannissaal in Schloss Nymphenburg landet, ist fast ein bisschen schade.
Bariton Andreas Burkhart und Pianistin Akemi Murakami haben in der Reihe "Liederleben" eine Auswahl aus Beethovens Schottischen Liedern op. 108 aufs Programm gesetzt. Das ist in mehrfacher Hinsicht lobenswert: Burkhart singt auf Englisch, was der Musik eine zauberische Stimmung verleiht, und man bekommt nicht nur die selten gespielten Lieder, sondern auch die außergewöhnliche Besetzung Klaviertrio und Gesang zu hören. Wie Pinchas Adt (Geige) und Raphael Paratore (Cello) vom Goldmund Quartett den Liedern Weite und Glanz verleihen, ist fantastisch.
Die erzählerische Intensität, mit der Burkhart die Schottischen Lieder darbietet, fesselt auch in Beethovens "An die ferne Geliebte". Er entwickelt den Ur-Liederzyklus als Seelenreise, bei der die Ambivalenz der Gefühle zum Ausdruck kommt. Stürmisch und basslastig prescht Murakami am Klavier voran, geradezu kämpferisch beschwört Burkhart mit dichtem Vibrato das "liebend Herz": Diese Entschlossenheit klingt fast zu affirmativ, um nicht verdächtig zu wirken. Die Ernüchterung folgt. Fahl und bewegungslos liegt die Resignation in Burkharts Stimme, von Murakami sensibel akzentuiert. Ideal verzahnt sind Klavier und Gesang auch in Dvořáks Zigeunermelodien und Brahms' Liedern und Gesängen op. 32. Allerdings unterscheiden sich Erzählduktus und Farben nicht gravierend von den Beethoven-Liedern. Dennoch: Stringenz des Erzählens, poetische Zartheit, klare und trennscharfe Artikulation sind wunderbare Eigenschaften von Burkharts Gesang, die auch hier zur Geltung kommen.