Kurzkritik:Schnelle Scherze

Martin Zingsheim im Schlachthof

Von Thomas Becker

Erst zum Schluss wird klar, warum es Martin Zingsheim die ganze Zeit über so eilig hatte. Warum er dem Zuhörer im Schlachthof all seine Geistesblitze und wortspielerischen Gedankenmedleys im Dieter-Thomas-Heck-Stakkato um die Ohren ballert, so dass das Kleinhirn bereits um zehn Uhr "Langt schon!" meldet. Der Grund für die Eile ist banal: Der gute Mann will heim, den Nachtzug um kurz nach zwölf erwischen, um morgens um sieben in Köln Semmeln respektive Brötchen für seine fünfköpfige Familie mitzubringen. Gerade mal 33, aber schon vier Kinder - bei dem muss anscheinend alles flott gehen, auch die Familienplanung.

"Aber bitte mit ohne" ist sein siebtes Solo-Programm - dabei hat der studierte Musiker erst vor sieben Jahren seine Bühnenkarriere begonnen. Zig Auszeichnungen pflastern seitdem seinen Weg, zuletzt auch Deutscher Kleinkunstpreis und Salzburger Stier. Auch hier: ein Leben im Fast-forward-Modus. Dabei ist das Thema des Abends genau das Gegenteil: Entschleunigung, Verzicht, Reduktion aufs Wesentliche, Vermeidung eines Informationsinfarkts. Damit trifft er natürlich einen Nerv, Stichwort Überflussgesellschaft. An Stoff ist da nun wirklich kein Mangel, aber Zingsheim schafft es beinahe immer, daraus sehr viel lecker-lustigen Honig zu saugen, ohne die üblichen Klischees zu bedienen und ohne allzu sehr ins Flache abzudriften. Zingsheim würde wohl sagen: "Nicht jeder Satz hat die Tiefe des Mariannengrabens, aber immer nur da unten im Dunkeln ist ja auch fad." Der Mann ist schließlich Rheinländer und sorgt in der Tat von Anfang bis Ende für gute Laune und fröhliche Gesichter. Die Themenspannweite reicht von GroKo ("Angst in zwei Farben") und Jamaika ("Wir hätten es verdient gehabt") über Schizo-Tube und Psychopedia bis zum Katholikentag ("Dschihad für Weicheier") und der schlüssigen Erklärung, warum Filterkaffee wieder in ist. Wer im Kopf und mit dem Mundwerk so fix ist, der macht auch als Gangsta Rapper MC Alete eine gute Figur. Mit Martin Zingsheim ist es eben wie mit dem Verzicht: Er macht Lust auf mehr.

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