Kurzkritik:Schlapper Held

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David Mosers "Odyssee"-Variation am Akademietheater

Von Petra Hallmayer, München

Böse hustend watet Odysseus (Wilhelm Beck) in einem Bademantel und schlabbrigen langen Unterhosen durch ein Wasserbecken. Der Kerl ist fertig. Viel zu lange hängt er schon im "Hotel Calypso" ab. Drei Frauen (Agnes Decker, Marie Domnig, Mariann Yar) und ein Mann (Leonard Dick) mit Badekappen begrüßen uns als vierfache Nymphe in Turnhosen und Pagenjacken in der "Fünf-Sterne-Grotte" auf Ogygia und werfen uns Handtücher zu.

Im Akademietheater präsentiert David Moser, Regiestudent im dritten Jahr, eine Umdeutung der Calypso-Episode aus Homers "Odyssee". Da braucht es keinen Götterboten, damit die Schöne ihren Liebsten ziehen lässt. Im Gegenteil. Er muss endlich nach Ithaka aufbrechen, drängelt diese, und die Freier "abmurksen", die dort als konsumgeile kapitalistische Raubritter mit ihren SUVs herumbrettern und das Land verwüsten ("Die armen Bienen kratzen alle ab."). Nur er kann die Welt noch retten. Der schlappe alte Held aber bettet sich auf eine Holzpritsche. Mühsam ziehen die vier Calypsos ihn hoch und waschen ihn. Vergebens reden sie auf ihn ein, malen die drohende Katastrophe aus, für die er als Pionier der Naturbeherrschung und instrumentellen Vernunft letztlich selbst verantwortlich ist. Odysseus jedoch schweigt hartnäckig. In einer parabelhaften Geschichte beschwören sie schließlich Reptilienwesen, die auf der dunklen Seite des Mondes leben und dank ihres phänomenalen Gedächtnisses von Geschichtsschreibung und -deutung befreit sind.

David Moser hat seinem Text, in dem Max Horkheimers und Theodor Adornos "Dialektik der Aufklärung" aufblitzt, viel aufgebürdet. Etwas mehr gedanklicher Feinschliff hätte diesem gut getan. Als Regisseur aber beweist er Einfallsreichtum und großes handwerkliches Können, und es ist eine Freude, dem quirligen Calypso-Quartett zuzuschauen. Am Ende liegt Odysseus aufgebahrt auf seiner Pritsche, während sich die Nymphen mit Ratespielen vergnügen. Der letzte Held ist tot. Ithaka und der Rest der Welt müssen sich schon selber retten.

© SZ vom 10.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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