Kurzkritik:Schalk im Nacken

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Neujahr mit dem "Jewish Chamber Orchestra"

Von Klaus Kalchschmid, München

Man muss nicht Althebräisch verstehen, um im Prinzregententheater Spaß am Jüdischen Neujahrskonzert zu ha-ben, bei dem zwei Kantoren solo oder im Duett mit Orchester singen; anders als in der Synagoge, wo an Feiertagen kein Musi-ker arbeiten darf und sogar für den Organisten ein Christ verpflichtet wird. Es war der erste Live-Auftritt des "Jewish Chamber Orchestra of Munich", bislang bekannt als "Orchester Jakobsplatz München". Aber mit ihrem neuen Namen, der endlich außerhalb Münchens verständlich ist, wurden die Musiker unter der Leitung von Daniel Grossmann bereits bei einem breiten Publikum bekannt durch einen Auftritt beim spektakulären, in einem einzigen Take im Kultur- und Kongresszentrum Luzern gedrehten Tatort "Die Musik stirbt zuletzt", der im August ausgestrahlt wurde.

Nun also das erste Konzert; aber kein traditionell klassisches, sondern eines, das zeigt, wie orientalische und westliche Einflüsse im 17. und 18. Jahrhundert eine zwischen altjüdischem Psalmodieren und Oper, manchmal fast Musical, eine changierende und sich durchdringende Musik hervorbrachten. Zwei unterschiedliche Kantoren ergänzten sich: Netanel Hershtik aus New York hatte immer einen Schalk im Nacken wie in seiner Mimik und verblüffte mit verführerischem, bis in die feinste Kopfstimme elegant geführtem Tenor; Itzhak Zelman aus Israel stellte in jeder Hinsicht - auch optisch und in seiner Kleidung - den strengen Kantor dar, der nicht minder gut, aber eben ganz anders singen konnte. Das kontrastierte in den Soli schön und ergab in den Duetten eine fruchtbare Spannung. Daniel Grossmann moderierte wie immer kenntnisreich und erzählte, wovon jeweils der folgende Gesang handelte, was es etwa mit dem berühmten "Kol Nidrei" auf sich hat, oder warum ein dem Streiten der Rabbiner gewidmetes, launiges "Amar Rabbi Eliazar" den Zwist als etwas Notwendiges feiert, das schließlich im Frieden und damit einem emphatischen, von den Musikern mehrfach erwiderten "Schalom" endet.

© SZ vom 23.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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