Kurzkritik:Schachtelteufel

Theater Baden-Baden spielt "Faust 1" im Künstlerhaus

Von SABINE LEUCHT

Mehr Kontrast zu Martin Kusejs "Faust" am Residenztheater geht nicht. Wo in Aleksandar Denics Wimmelbild-Multiversum mit Sprengstoff, Theaterblut, Koks und Sex geklotzt wird, gibt es im "Faust I" aus Baden-Baden nur eine schlichte Kiste in einer Bühnenbox und sieben identisch gekleidete Schauspieler: schwarze Hose, weißes Hemd, schwarze Sneakers (Bühne/Kostüme: Timo Dentler, Okarina Peters). Sebastian Mirows Faust stößt sein klagendes "Habe nun aaach ..." in der Kiste aus. Man sieht die Beschränktheit seiner Welt des Bücherwissens; er stößt mit seinem Erkenntnisdrang hart an die Grenzen seines "Kerkers". Das Bild ist schlicht und schön, konkret und offen.

So lässt Harald Fuhrmanns Inszenierung, die anlässlich des Faust-Festivals im Künstlerhaus am Lenbachplatz gastierte, die Ohren spitzen und schickt die Fantasie auf die Reise. Die Verwandlung des Pudels in seinen teuflischen Kern geht als hübsch-naives Schattenspiel über die Wände. Und mit von augenzwinkernden Ideen durchsetzter Klarheit wird Faust als einer porträtiert, der sich am Sinnenleben nicht blind besäuft, sondern selbst Gretchens jugendliche Unschuld wie ein staunender Besucher aus der Welt des Geistes meist nur beschaut. Der mephistophelische Seelenkrämer von Mattes Herre zündet sich dazu immer mal wieder lässig eine Zigarette an. Und wo es bei Kusej eine Orgie gibt, knien Faust und Margarete in der dafür hochkant gestellten Kiste, berühren einander zart an der Schulter und stieben auseinander, als sie das sagen will, was ihm die Seele kosten würde: "Verweile doch ...!"

Dazwischen scheint die Regie sich aber Goethes hier mitinszenierten "Vorspiels auf dem Theater" zu entsinnen, in dem es heißt: "Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen." So singen in Auerbachs Keller die Studenten "Ein bisschen Spaß muss sein!" und die Walpurgisnacht wird mit Perchtenmasken durchtanzt und durchblödelt, als stünde man in der Bütt. Da wird der Kern der jeweiligen Szene nur platt bebildert und der puristische Ansatz verraten. Schade.

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