Kurzkritik:Sattelfest

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Der Jazz-Gitarrist Kalle Kalima hat ein Herz für Country

Von Jürgen Moises, München

Wer heute an den wilden Westen denkt, der hat hauptsächlich filmische Klischeebilder von Cowboys und Indianern im Kopf. Und vielleicht die Musik von Ennio Morricone. Bei Kalle Kalima kommt noch eine andere Erinnerung hinzu, und zwar die, wie er als Teenager bei seinem Gitarrenlehrer sitzt und Western- und Country-Songs übt. Geschadet hat dem finnischen, in Berlin lebenden Jazz-Gitarristen das nicht. Im Gegenteil konnte man bei seinem Auftritt in der Unterfahrt erleben, wie er das "Western-Erbe" aus der Jugend auf genauso entspannte wie spannende Weise weiterspinnt. Und das nicht nur mit Westernsongs wie "High Noon" von Dimitri Tiomkin oder "Ghost Riders in the Sky" von Stan Jones. Sondern auch mit dem Seemanns-Shanty "Santy Anno" oder dem "Marsch der Jäger" von Jean Sibelius, die er ebenfalls sehr elegant mit seinem sechssaitigen Gitarrenlasso einfing.

Wie auch auf der zugehörigen CD "High Noon" wurde er bei seinem musikalischen Ritt von dem Neuen-Deutschen-Jazzpreis-Träger Max Andrzejewski am Schlagzeug begleitet sowie von dem Dänen Andreas Lang am Kontrabass. Lang sitzt auf der aktuellen Tour für Greg Cohen im Sattel, mit dem Kalima das Album konzipiert hat. Dass es ihnen Spaß macht, in Country-Gefilden zu wildern, merkt man den drei Musikern jede Sekunde an. Mit finnischem Humor, kontrastierenden Läufen, Tempi- und Akkordwechseln, vereinzelten Flanger-, Chor- und Hall-Effekten wird hier gegen die Klischees des Western-Genres angespielt. Aber nie destruktiv, sondern in Form einer respektvollen Hommage, die den Songs ihren jeweiligen Kern belässt. Das heißt, eine Ballade wie "High Noon" bleibt eine Ballade, ein Folkblues wie "Lännen Lokari" ein Blues. Und auch bei Jean Sibelius lassen sich die romantischen Motive noch klar und deutlich heraushören.

Mit demselben Respekt wird zwischendrin auch noch David Bowie, Leonard Cohen und Prince gehuldigt. "The Man Who Sold The World" bekommt ein leichtes Tango-Flair verpasst, bei "Sign O' The Times" werden in rockiger Manier die Zügel losgelassen und "Hallelujah" gerät mit flirrenden Gitarrentönen so ergreifend, dass man selbst als harter Cowboy die eine oder andere Träne wegdrückt.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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