Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Rosig frisch

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Die Sächsische Staatskapelle mit Herbert Blomstedt im Gasteig

Von MICHAEL STALLKNECHT, München

Das Solokonzert, also das Zusammenwirken eines einzelnen Instrumentalisten mit einem ganzen Orchester, ist eine heikle Gattung, in der klanglichen wie in der formalen Balance. Was man immer erst dann merkt, wenn es nicht funktioniert - wie jetzt in der Philharmonie beim Ersten Klavierkonzert von Johannes Brahms, bei dem sich der Dirigent Herbert Blomstedt und der Pianist Leif Ove Andsnes nicht allzu viel zu sagen hatten, was insofern erstaunt, als beide in ihrem Zugang zu Musik eigentlich viel gemeinsam haben. Der 91-jährige Blomstedt ist der amtierende Grandseigneur unter den Dirigenten, der mit wenigen, aber den richtigen Gesten auskommt. Andsnes ist ebenfalls bekannt für die zurückhaltende Klarheit seines Klavierspiels, mit der er nun auch bei Brahms die üblichen Klangballungen mied und dafür überall kleine, fein pointierte Melodielinien entdeckte.

Doch im Zusammenspiel mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden hapert es, unter den Orchestergruppen, aber auch im Zusammenspiel mit dem Pianisten. Die Übergänge werden dann schwergängig, das Konzert schleppt sich von Formteil zu Formteil, auch weil Blomstedt Tempi eher an der Untergrenze wählt. Wenn dann im langsamen, hier also sehr langsamen Satz noch ein Hörgerät pfeift und ein Handy klingelt, versteht man, dass der Pianist keine Zugabe mehr geben mag.

Gut also, dass die Sächsische Staatskapelle danach noch einmal zurückkehrt, mit Herbert Blomstedt, der von 1975 bis 1985 ihr Chefdirigent war, und auch mit Johannes Brahms, aber ohne Solisten. Blomstedt dirigiert die Erste Symphonie unprätentiös, aber sehr plastisch. Zwischen den Tempi schafft er Kontraste, der Gesamtaufbau stimmt auch. Und die Sächsische Staatskapelle darf endlich ungestört ihren berühmten Sound vorzeigen, der dicht klingt, aber weich, sämig und doch locker. Also auch hier keine Klangballungen, was dafür sorgt, dass der symphonische Brahms nicht wie oft breit tönt, sondern rosig frisch klingt.

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Quelle:
SZ vom 20.11.2018
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