Kurzkritik: Rock:Waterloo

Der Rockflegel Peter Doherty enttäuscht in der Muffathalle

Von Bernhard Blöchl

Und dann kommt er also doch noch. Der Moment, der zeigt, wie gut das schlechte Konzert hätte sein können. Peter Doherty kreischt "Fuck Forever", die frühe Protzhymne seiner Zweitband Babyshambles, und in der ordentlich gefüllten Muffathalle bricht die Rockhölle los. Bierbecher fliegen auf die Bühne, BHs sowieso, Socken auch. Doherty, Hemd und Mund weit aufgerissen, kraftmeiert sich durch ein Soundmeer scharfer Gitarrenriffs und verschleppter Beats. Eine wahre Rückkopplungsorgie, aber das ist egal. Endlich Ekstase, endlich auf den Punkt, doch leider viel zu spät. Einige Zuhörer sind schon gegangen, es läuft der zweite Zugabenblock.

Man kann es ihnen nicht verdenken, denn das, was sich in der Stunde davor abgespielt hat, war eine respektlose Frechheit jenes begnadeten Rock-Protagonisten aus England, der lustlos durch den Abend taumelte, als hätten ihn seine Bandkollegen zu einer zusätzlichen Probe überredet. Einer Probe nach dem Pub-Besuch, die er selbstverständlich als überflüssig erachtet. Er schluderte bei den Einsätzen, vergaß Textzeilen, spielte Songs an und brach sie ab. Er diskutierte mit seinen fünf Begleitmusikern, die zuweilen überfordert wirkten. Doherty leerte Getränkebecher in vollen Zügen, ob Bier oder Wasser, das spielte keine Rolle, jedenfalls torkelte der Ex-Freund von Kate Moss und ewig Leidende. Die lässigen Schlampereien, die ihm nur berauschte Überfans als Insignien des Rock'n'Roll durchgehen lassen, begannen beim ersten Song, dem hübschen "I Don't Love Anyone (But You're Not Just Anyone)", und zogen sich durch das komplette Set. Da waren Dauerbrenner dabei wie "You're My Waterloo" von seiner Urband The Libertines sowie Cover-Bastarde aus Velvet Underground und Oasis. Die meisten Stücke aber stammten von der aktuellen, zweiten Soloplatte "Hamburg Demonstrations". Die dezent arrangierten, lyrisch aufgekratzten Songs hatten den intimen Rahmen zur Tour vorgegeben. Doch die Live-Inszenierung zündete nicht. Geige und Keyboard klangen oft steif, die Abmischung stimmte so gut wie nie, und das Chaos in der Band erstickte jegliche Euphorie im Keim.

Doherty-Konzerte sind ja wie Losbuden beim Wanderzirkus. Man weiß nie, was man kriegt - sofern man überhaupt was kriegt. Sein München-Gastspiel zur ersten Soloplatte im Jahr 2009 fiel komplett aus, weil der Skandalpromi im Taxi vor der Polizei geflohen war. Der Flegel von der Insel ist ein sucht- und absturzgefährdeter Romantiker mit schier grenzenlosem Songwriter-Esprit. Im März wird Peter Doherty 38. Hoffentlich folgen viele weitere München-Gigs. Bessere.

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