Von der Besetzung her - hier ein reines A-Cappella-Damen-Quartett, dort ein gemischter Stimmsatz mit Begleittrio - hinkt der Vergleich ein bisschen, trotzdem war der Auftritt von Vocal Summit in der Unterfahrt eine Art Komplementärkonzert zu The Manhattan Transfer vor einer Woche. Die beiden Pole des modernen auf Vokalisen basierenden Jazzgesangs waren hier mit herausragenden Vertretern zu erleben. Stehen Manhattan Transfer für die perfekt strukturierte und bedingungslos swingende Variante, ging es bei Vocal Summit um "freien" Gesang.
Vier Pionierinnen der Erkundung dessen, was die menschliche Stimme an Klängen erzeugen kann, traten nach fast 20-jähriger Pause wieder einmal zu dessen gemeinsamer Demonstration an: die Polin Ursula Dudziak, die Britin Norma Winstone und die Amerikanerinnen Jay Clayton sowie Michele Hendricks, letztere nicht nur die jüngste des Quartetts, sondern als Tochter des Vokalese-Stars Jon Hendricks und versierte soul-boppige Standard-Interpretin auch das größte Bindeglied zum "klassischen" Jazzgesang. Schon von der Begrüßung an, bei der eine nach der anderen einstimmte, wurde also gebrummt, gehaucht, gequietscht, gesummt, gezischt und geträllert, was das Zeug hielt, von Dudziak und Clayton teilweise noch geloopt und per Vocoder verfremdet. Die größtmögliche Freiheit des gesanglichen Ausdrucks entfaltete sich da.
Das führte einerseits zu glückhaften Momenten, wenn sich dieses Stimmgewirr auf fast unfassbare Weise zu einer Ordnung zusammenfügte, zu an Ligetis "Lux Aeterna" erinnernden Klanggebilden oder zu jazzrhythmisch strukturierten Lautgemälden ("Ooyah"). Es machte aber auch die Gefahren der Freiheit deutlich: Wenn Dudziak zu viel redete, wenn sich die wilden Vokalisen wiederholten und erschöpften, wenn Essenzielles hinter Gags und Tricks zurücktrat. Dies und die letzten Stücke, als man sich wieder einfing, verdeutlichten, was die Qualität eines guten Songs ausmacht.