Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Reifer Nachwuchs

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Das Goldmund Quartett begeistert in Traunstein

Von Paul Schäufele, Traunstein

Hier hat der Nachwuchs Platz genommen: auf einem Podium im Großen Sitzungssaal des Landratsamtes Traunstein. Von hier erspielen sich Florian Schötz, Pinchas Adt, Christoph Vandory und Raphael Paratore als Goldmund Quartett die Bravo-Rufe des Publikums, das sich von der absoluten Stilsicherheit der Musiker begeistern lässt: Den nach innen gewendeten Humor des fünften Erdödy-Quartetts von Haydn übersetzt das Quartett in geschmackvoll-sensibles Spiel.

Das vorsichtige Abtasten der Partitur, das sorgfältige Profilieren ist das Proprium dieses Ensembles, und am deutlichsten wird das, wenn bei Haydn doch das Dunkle, Ungarische auflodert. Mit demselben Instinkt für Farbgebung wird Debussys Streichquartett zur schillernden Metamorphose eines musikalischen Mottos, das sich durch alle Sätze zieht: zupackend der Kopfsatz, witzig-beredt das Scherzo, in edlem Grau das Andantino, ausschweifend das Finale. Wie gemacht für die Charakterisierungskunst des Goldmund Quartetts scheinen die drei Preziosen aus Ana Sokolovic' "Commedia dell'arte III". Jeder der drei Sätze porträtiert eine Figur der italienischen Stegreifkomödie. Mit Witz und dramaturgisch wirksamem Einsatz nachklassischer Spielweisen (Klopfen auf dem Instrumentenkorpus, Schnaufen des Cellisten) werden die Stücke zur Miniaturfarce zwischen intrigantem Diener, manipulativer Signora und hitzigem Liebespaar.

Zum Abschluss ein Schlüsselwerk: Mendelssohns letztes Streichquartett, das Dokument eines radikalen Stilwandels, häufig als Reaktion auf den Tod der Schwester gedeutet. Die Leistung der vier jungen Musiker liegt darin, das Werk eben nicht tragisch übersteigernd als Grabmal für Fanny zu spielen, sondern - ohne die allgegenwärtigen dissonanten Schroffheiten zu glätten - das Stück als das zu nehmen, was es ist: ein Formexperiment. So bleibt am Ende nur die Frage, wie lange man vom Goldmund Quartett noch als Nachwuchs sprechen möchte. Wo doch Reife und Souveränität seiner Spieler so auf der Hand liegen.

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Quelle:
SZ vom 07.09.2019
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