Kurzkritik:Querdenker

Max Andrzejewski verbeugt sich vor Robert Wyatt

Von Oliver Hochkeppel

Mit seiner Hütte, so ja der lustige Name seiner Band, wurde der Schlagzeuger Max Andrzejewski in diesem Jahrzehnt zu einem der wichtigsten kreativen Köpfe des jungen deutschen Jazz. Als er bei den Leipziger Jazztagen - wegen des radikal auf Begegnung ausgelegten englischen Mottos vielleicht das interessanteste deutsche Jazzfestival des vergangenen Jahres - eine Carte blanche für eine Hommage an einen britischen Musiker seiner Wahl bekam, brauchte er nicht lange überlegen. Andrzejewski ist seit Langem ein Bewunderer von Robert Wyatt, dem Enfant terrible des frühen britischen Fusion-Pop. Nicht nur war Wyatt bis zu seinem Party-Sturz mit nachfolgender Querschnittslähmung Schlagzeuger, er pflegte in seiner mit "Rock Bottom" beginnenden Solo-Zeit auch ein Faible für Gesang mit assoziativen, oft auch stark gesellschaftskritischen Texten und für morbide, immer durch Effekte, Stilwechsel oder Improvisation gebrochene Popsongs. Alles Dinge, die auch zu Andrzejewskis Vorlieben gehören.

Bei der Uraufführung im Leipziger Westbad wirkten die Bearbeitungen freilich noch etwas brav und unentschlossen. Ein Eindruck, der wegen des Doppelkonzerts mit einem blendend aufgelegten Joshua Redman Quartett noch verstärkt wurde. Inzwischen, nachdem die Musiker es noch ein, zwei Mal aufgeführt haben, vor allem aber drei Tage damit im Studio waren, hat sich die Sache entwickelt, wie man nun beim Jazz+ in der Seidlvilla hören konnte.

Das um den Multiinstrumentalisten (und großen Wyatt-Fan) Jörg Holzapfel und die herausragende junge Sängerin Cansu Tanrikulu ergänzte Quartett mit Tobi Hofmann an der Gitarre, Andreas Lang am Kontrabass und Johannes Schleiermacher an Saxofon, Flöte und Synthie fegte viel dynamischer durch die konsequent eingesetzten, fließenden Stilwechsel von balladeskem Pop über Fusion-Attacken bis zu Free- und Noise-Exkursen. Jetzt ist es eine Sound-Achterbahnfahrt, wie sie dem Querdenker-Ästheten Max Andrzejewski entspricht.

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