Kurzkritik:Präzise

BR-Symphoniker unter Daniel Harding

Von Andreas Pernpeintner

Allzu kräftig werden Alban Bergs "Drei Bruchstücke" für Sopran und Orchester aus der Oper "Wozzeck" nicht beklatscht. Dabei haben die Sopranistin Dorothea Röschmann und das BR-Symphonieorchester unter der Leitung von Daniel Harding in der Philharmonie soeben eine ganz wunderbare Darbietung dieser etwa 100 Jahre alten Musik vollbracht: Röschmann intoniert rein und singt klar in der Linienführung. Das Orchester fügt sich in die klangliche Eleganz ideal ein, spielt mit schlankem, mitunter seidig feinem Ton, dynamisch sehr nuanciert ausgearbeitet, ruhig im Fluss, aber agil, wenn es darum geht, musikalische Zwischenereignisse zu beleuchten. So entsteht nicht nur der Eindruck von großer Präzision, sondern auch von geradezu schönklingender Dissonanz - denn selbstverständlich bewegt sich Berg gerne abseits der Tonalität. Und sogar wenn Harmonik und Dynamik mal wirklich schrill werden, bleibt die Interpretation stets kontrolliert.

Genau daran knüpfen Harding und die Musiker nach der Pause bei Bruckners Vierter an. Natürlich kann man sich dieser monumentalen Symphonie als Interpret im Leisen wie im gleißend Lauten selbstvergessen hingeben. Wer das tut, hat Recht. Wer's nicht macht, hat aber ebenso Recht. Denn im Grunde genommen hat Bruckner seinem Werk ein abgewogenes Maßhalten aufs Titelblatt geschrieben: "Bewegt, aber nicht zu schnell" heißt es sinngemäß in drei von vier Satzbezeichnungen. Keine Übertreibungen bitte.

Genau auf diese Weise musizieren Daniel Harding und das BR-Symphonieorchester - nicht nur, was das Tempo betrifft. Welche Ausdrucksintensität sie auch ansteuern, sie spielen fasslich. Leichter macht es das für sie keineswegs. Wenn selbst das wogende Fortissimo nicht nur furios brandet, sondern hörbar wird, dass es aus gemeinsam sauber ausgespielten Figuren besteht, ist eine umso größere Instrumentenbeherrschung gefordert. Wie es um diese bestellt ist, wird freilich schon nach wenigen Sekunden klar, denn besser kann man den Hornruf zu Beginn nicht blasen.

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