Kurzkritik Pop:Den Country befreien

Nikki Lane macht im Orangehouse alles richtig

Von Dirk Wagner

Die meisten Zuschauer haben das Orangehouse nach dem überzeugenden Konzert der US-amerikanischen Country-Sängerin Nikki Lane schon längst verlassen, als die Musikerin für die wenigen Gebliebenen noch einmal zur Gitarre greift. Als sie nämlich nach ihrem regulären Auftritt Schallplatten signierte, hatte eine Zuschauerin sie gebeten, im nächsten Konzert doch auch "Foolish Hearts" vom neuen Album "Highway Queen" zu spielen. Aber warum bis dahin warten, wenn die Künstlerin den Musikwunsch sofort erfüllen kann? Also sitzt die Singer-Songwriterin nun mit ihrem großen, weißen Cowboyhut auf dem Bühnenrand im mittlerweile fast leeren Orangehouse und spielt für das Personal, jene Zuschauerin und deren Begleitung das gewünschte Lied auf einer akustischen Gitarre.

Weil die Technik schon abgebaut ist, singt sie jetzt ohne Mikrofon. Jedoch mit derselben Hingabe, mit der sie auch im regulären Set jeden einzelnen Zuschauer anzusprechen wusste. Unterstützt wurde sie da allerdings noch von einer Band, der sich sogar die australische Sängerin Ruby Boots als Chorsängerin und Gitarristin anschloss, die zuvor mit Lanes Gitarristen Alex Munoz das Vorprogramm gestaltet hatte. Plötzlich überließ hingegen Lane abermals der Australierin die Bühne. "Damit ihr mal erlebt, wie sie mit Band klingt", hatte Lane den Positionswechsel noch erklärt und mimte ihrerseits nun im Hintergrund die Chorsängerin in einer Band, die einen Song lang als die von Ruby Boots fungierte. Gerade mal seit vier Tagen touren die beiden Frauen gemeinsam. Aber alles an diesem Abend erscheint, als wären alle Beteiligten schon ewig mit einander vertraut. Dabei war vorher nicht einmal vereinbart, dass Lanes spanischer Gitarrist Munoz auch Ruby Boots im Vorprogramm unterstützen würde. Trotzdem brilliert er auch hier mit einem Gitarrenspiel, für das er mit einem Bottleneck über die Saiten gleitet, um diese beinahe ohne Anschläge erklingen zu lassen. Weil er die Saiten dabei ohnehin erst nach dem Anschlag mit einem Pedal, das die Lautstärke regelt, erklingen lässt, sondiert sein Gitarrenspiel die Musik von Ruby Boots wie ein Lichtkegel die nächtliche Landstraße.

Weniger zurückhaltend ist sein Spiel dagegen in Nikki Lanes Konzert, das den Country wieder einmal aus seiner Schlager-Ecke befreit. Das weckt schnell Assoziationen mit Waylon Jennings oder Loretta Lynn. Größen eines unangepassten Country-Bewusstseins also, mit denen es Nikki Lane locker aufnimmt. Denn sie ist selbstbewusst wie in "You Can't Talk to Me like That" und leidenschaftlich wie in "Right Time". Es sei immer die richtige Zeit, das Falsche zu tun, singt sie darin. Doch genau mit solcher Bereitschaft, auch das Falsche zu tun, macht sie am Ende schließlich alles richtig.

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