Schweigend kommen sie herein, schweigend setzen sich die Eltern, die Kinder und das Hausmädchen puppenhaft steif an den Esstisch. Schon in Pasolinis Verfilmung seines Romans "Teorema" wird wenig gesprochen, in Blanka Rádóczys Inszenierung verstummen die Menschen völlig. Ihr gemeinsames Leben ist ein Ballett vorgezeichneter Bewegungen. Selbst wenn Paolo und seine Frau Lucia tanzen, bleiben ihre einsam zuckenden Körper im Korsett der Konventionen gefangen. In Pasolinis Parabel über den Einbruch des Numinosen in eine entzauberte kapitalistische Moderne, die Wandlungs- und Erlösungskraft des Eros, dringt in die Leere des Alltags einer Fabrikantenfamilie ein mysteriöser Fremder ein, der alle reihum verführt, betört und verstört.
Die Regiestudentin lässt sich viel Zeit, um im Akademiestudio eine perfekt schnurrende Familienmaschinerie vorzuführen. Mit einem punktgenau agierenden Ensemble gelingt ihr ein an schönen Details reiches Theater aus Blicken, Gesten und Musik. Rádóczy versteht es fabelhaft, ohne Worte Geschichten zu erzählen und Szenen atmosphärisch aufzuladen. Neben den sterilen von weißen Vorhängen begrenzten Wohnräumen wachsen Grasbüschel, deren Schatten, wenn das Licht erlischt, auf den Vorhängen zu bedrohlich sirrenden Klängen flackern.
Mit dem Eintreffen des Gastes bricht die Ordnung auf. Er weckt Sehnsüchte, erspürt und erfüllt sie. In einem wunderbar unaufdringlich eindringlichen Verführungsreigen hilft er jedem über die Schwelle aus Scham und Angst hinweg. So unverhofft wie er eintraf, verschwindet er wieder, doch keiner kann sich länger mit der emotionalen Trostlosigkeit seines Lebens abfinden. Plötzlich beginnen alle zu sprechen, in ineinanderstürzenden Sätzen ihre Verzweiflung und ihre Konfusion zu äußern, ehe das Hausmädchen Grasbüschel hereinträgt. Verglichen mit dem Spektrum kurioser Wandlungen, das Pasolini auffächert, wirkt dieser Schluss etwas zu abstrakt verdichtet. So klingt Rádóczys beeindruckende Inszenierung leider nicht ganz überzeugend aus.