Kurzkritik:Muskelspiele am Klavier

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Grandioser Behzod Abduraimov im Prinzregententheater

Von Andreas Pernpeintner, München

Wird eine Konzerthälfte von Liszts h-Moll-Sonate beherrscht, kann das, was davor kommt, nur Prolog sein. Nun, die Liszt-Transkription des Liebestods aus Wagners "Tristan und Isolde" ist ein üppiges Vorwort und Behzod Abduraimov zeigt bei seinem grandiosen Klavierabend im Prinzregententheater bereits hier die fundamentalen Stärken seines Spiels. Wie kräftig er sich der Klaviatur entgegen neigt, schnauft und schnaubt, wie dezidiert muskulär er spielt, dient gewiss nicht dem körperlich heilsamen Spannungsabbau. Doch wirkt diese vollgriffige Herangehensweise bei Abduraimov authentisch. Sein Ton ist satt, die Interpretation in den Effekten energisch, die sukzessive Gestaltung dynamischer Verläufe einfach wunderbar. Das klingt nie zu pathetisch, aber mit der Farbe wird nicht gespart. Umso wirkungsvoller leuchten demgegenüber die hellen Konturen, die Abduraimov im Diskant manch zauberhaftem Pianissimo verleiht.

Kurz blitzt anschließend die Frage auf, ob er diese Qualitäten in der technisch nochmals in eine andere Dimension vorstoßenden Sonate mit all ihren Abgründen, ihrer melodischen Lyrik und ihrer donnernden Dunkelheit aufrechterhalten kann. Er kann. Auch hier besticht das zarte Moment seines Spiels sofort, und Abduraimovs technische Sicherheit wächst so rasch, dass sie bald atemberaubend ist. So klingt großes Virtuosenspiel.

Was kann nach diesem Maximum an pianistischer Darbietung folgen? Ein Stilwechsel: Sergej Prokofjews Zehn Stücke für Klavier aus "Romeo und Julia" op. 75 zeigen noch ungehörte Teile aus Abduraimovs Ausdrucksrepertoire. Sicherlich, auch diese Musik hat ihre monumentalen Augenblicke, auch Prokofjew beherrscht die kompositorische Motorik und Strenge - und auch hier braucht es über die Stücke hinweg einen großen gestalterischen Atem. Das rhythmisch Subtile, die oft bodenständige Erzählhaltung und der mürbe-präzise Ton aber sind ein starker Kontrast zur vorherigen Opulenz. Das gilt auch für Schuberts Moment Musical Nr. 3 als Zugabe. Abduraimov beherrscht alles gleichermaßen.

© SZ vom 02.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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