Kurzkritik:Molluskentänze

Zehn Jahre "Standpunkte": Caprioli im Schwere Reiter

Von Eva-Elisabeth Fischer

Jetzt vertritt er ihn bereits öffentlich: Anton Biebl, Nachfolger in spe von Hans-Georg Küppers als Kulturreferent, erklärt nicht wenigen alten Kempen der freien Tanzszene die Koordinaten ebendieser in einer jovialen Rede. An diesem Abend ist im Schwere Reiter liebevoll angerichtet für zehn Jahre "Standpunkte", die spannende Reihe, bei der sich Tänzer und Choreografen theoretisch und praktisch erklären können. Und Biebl beschenkt alle Anwesenden mit der Versicherung, dass das Schwere Reiter, wenn schon nicht für Aufführungen, so doch als Probengebäude weiter erhalten bleibt.

Hauptperson des Abends: die italienische und erfolgreich in Stockholm verankerte Tänzerin, Choreografin und Tanzpädagogin Cristina Caprioli. Manch eine(r) lernte sie zu ihrer Münchner Zeit von 1981 bis 1983 als reflektierte Interpretin sehr besonderer Arbeiten schätzen. Und ist ob dieser Wiederbegegnung ein wenig verwundert. Caprioli, inzwischen ein 65-jähriges Rautendelein, führt unter dem Motto "Welcome to My World" ein in ihren befremdlichen Tanzplaneten. Sie kreist um das Ideal, gleichsam ohne Wirbelsäule, dabei aber aufrecht zu tanzen. Ihr Gebot: eine gewisse Milde der Bewegungen, demonstriert von undefinierten Körpern in Räumen, "wo man Dinge tun kann, die noch keine Funktion haben". Schön, schön. Sie selbst, die weder kreativ noch innovativ sein will, geht erst mal tanzsprechend zu Boden - als Repräsentantin ihrer selbst formulierten Tanzlinguistik zu musikalisch aus fernen Galaxien herüber gewehten Klängen.

Es ergießt sich ihr Rumpf im von Leuchtstäben begrenzten Raum, während ein Arm und ein Bein, unübersehbar voneinander abhängig, dezidiert den Rhythmus vorgeben. Dann formuliert Caprioli in "She who thinks she is a pale planet and other stories" ihre ebenso dezidierte politische Absicht, keine weiße Tänzerin aus der Mittelschicht sein zu wollen, sondern farblos. Zu dumm nur, dass auch sie nicht aus ihrer Haut raus kann. Dem politischen Rückgrat zum Trotz.

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