Kurzkritik:Mit Handbremse

Das Quatuor Modigliani im Herkulessaal

Von Michael Stallknecht

Das Quatuor Modigliani stand in München immer etwas im Schatten des Quatuor Ébène. Allzu ähnlich wohl waren in der Wahrnehmung die beiden aus Frankreich kommenden, ursprünglich jeweils aus vier Männern bestehenden Streichquartette. So waren die Modiglianis hier zuletzt 2014 zu hören, ein Zeitraum, in dem viel passieren kann. Während das Ébène seitdem zwei Wechsel bei der Bratsche hinter sich hat, setzen die Modiglianis mit Amaury Coeytaux seit gut zwei Jahren auf einen neuen Primgeiger. Deutlich leichtfüßiger, auch leichtgewichtiger scheinen sie unter seinem Einfluss geworden, wie bei ihrem Programm im Herkulessaal zu hören war, das sie tags zuvor bereits in Polling erprobt hatten - technisch auf höchstem Niveau, transparent in der Durchleuchtung der Stimmen, reich an Schattierungen besonders im leisen Bereich, wendig und elegant in den Übergängen.

Doch der Gesamteindruck geriet eigentümlich nichtssagend, was auch an der unglücklichen Zusammenstellung des eher kurzen Programms gelegen haben mag: Auf Schuberts Quartettsatz in c-Moll folgten als größere Werke Johannes Brahms' drittes Streichquartett und Maurice Ravels einziges. Beide sind hochartifizielle Formspiele: bei Brahms eine Reminiszenz an die Ursprünge der Gattung bei Haydn und Mozart, bei Ravel eine Zerstäubung in kleinste Formmoleküle, die ihren Zauber gerade aus der vagierenden Ungreifbarkeit und der darin wie oft bei Ravel lauernden Erotik beziehen kann. Schwer greifbar aber blieben vor allem die interpretatorischen Zugänge der Modiglianis. Schon Schubert fehlte es an melodischem Drang und dramatischer Energie, Brahms verbreitete nur die marmorne Kühle des Klassizismus und bei Ravel war Erotik nicht mal sehr verkappt zu spüren. Da vermisste man einfach Klangsinnlichkeit, auch Verführungslust über den Abend hinweg, was man wohl auch dem etwas akademischen, jedenfalls immer mit angezogener Handbremse agierenden Primgeiger Amaury Coeytaux zuschreiben darf.

Zwei rhythmisch gepfefferte Zugaben - das Intermezzo aus Korngolds zweitem Streichquartett und die Polka aus Schostakowitschs Ballett "Das goldene Zeitalter" - konnten diese Glätte nicht mehr wirklich aufrauen.

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