Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Minutiös musiziert

Die Münchner Philharmoniker unter Krysztof Urbański im Gasteig

Von Klaus Kalchschmid

Stolz, herrisch, kalt, aber auch zart, warm und schwärmerisch schwebend: Wenn Jan Lisiecki Frédéric Chopins zweites Klavierkonzert mit den Münchner Philharmonikern spielt, dann öffnen sich im Gasteig Türen in weite Welten. Und Dirigent Krysztof Urbański achtet minutiös darauf, dem 24-jährigen Polen, geboren und aufgewachsen in Kanada, in jedem Moment zu folgen, haben die beiden doch schon mit einer Chopin-Platte bewiesen, wie sehr sie gemeinsam atmen können.

Was soll man mehr preisen: Lisieckis Mut, in die Extreme zu gehen, oder seine brillante, glasklare Technik, die ihm das erlaubt; seine Fähigkeit, in allen drei Sätzen unterschiedlichste Facetten des Ausdrucks zu entdecken, oder wie er diese Aspekte unter einem Dach vereinen kann. Beinahe hätte dies den Beginn des Konzerts überstrahlt, der mit Witold Lutosławskis vierter Symphonie gleich ein ebenso kurzes wie gewichtiges Werk präsentierte: zugleich modern und beinahe romantisch expressiv, eine aus der Kammermusik entwickelte Symphonik, die die Kontraste ausreizt und dabei doch stets verbindlich bleibt. Wie auch die anderen Werke auswendig dirigierend, übertrug Urbański seine Vertrautheit mit der Musik seines polnischen Landsmanns unmittelbar auf das Orchester.

Gerne hätte man mehr von diesem Komponisten gehört, aber eine andere Vierte, die von Peter Tschaikowsky, bildete nominell das Hauptwerk des Abends. Nicht alles lief bis ins letzte Detail rund, manche kleine Unkonzentriertheit machte sich bemerkbar, aber das konnte den insgesamt positiven Eindruck nicht stören. Denn auch hier war Urbański, der die Philharmoniker aus vielen Konzerten gut kennt, ganz bei seinen Musikern, bekam von ihnen wunderbar leise Stellen geschenkt und führte sie manchmal ohne Stab nur mit Händen und Fingern wie ein Zauberer. Das erzeugte vor allem in den Mittelsätzen große Spannung und offenbarte die oft ins verkrampft Fröhliche verfallenden Turbulenzen des Finales als verstörend aufgekratzt.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2019
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