Kurzkritik:Meister des Abschweifens

Torsten Sträter unterhält bestens im Lustspielhaus

Von Thomas Becker

Kurz vor acht sitzt der Protagonist gemütlich bei einer Tasse Kaffee im Lustspielhaus, wie ein normaler Gast. Um 19.58 Uhr steht er dann doch mal auf - und geht noch eine rauchen. Botschaft: Der hat die Ruhe weg. Auch später wird er es nicht besonders eilig haben, warum auch? Zuerst zählt Torsten Sträter auf, was nicht in seinem Programm "Es ist nie zu spät, unpünktlich zu sein" vorkommt - und schon ist die erste halbe Stunde vorbei und der Saal voller fröhlicher Gesichter.

Ein rechter Menschenfischer ist dieser Mann mit der Mütze, und man fragt sich, wie der Frühfünfziger bis vor ein paar Jahren Herrenschneider und Speditionsmitarbeiter sein konnte. Über den Poetry Slam auf die Kabarettbühnen und ins Fernsehen, wo er beim WDR nun sogar eine eigene Show hat: "Männerhaushalt", die nächste Sendung mit Dieter Nuhr und Jochen Malmsheimer. Viel mehr geht nicht als Handelsreisender in Sachen Kleinkunst. Sein öffentliches Tun beschreibt Sträter so: "Ich lese vor" - was ja Quatsch ist. Klar, er hat sein IPad dabei und liest mit sonorem Bass wunderbar lakonische Gaga-Geschichten. Doch das macht gefühlte 15 Prozent des Abends aus. Der Rest sind launige Ausritte ins Irgendwo. Der Meister der gut gelaunten Abschweiferei kommt halt vom Slam, genießt die Interaktion mit dem Publikum und liebt es, bei jeder Gelegenheit abzubiegen, sei es zum Abriss über die Hottentotten, zum Phänomen atmender Schuhe oder zu Flatulenzen nach übermäßigem Biltong-Genuss. Er sagt: "Der Abend hat einen roten Faden. Der erschließt sich Ihnen aber erst nächsten Dienstag."

So geht das in einem fort: Gerade noch ging es um blätterfressende Penisse und die nahende Zombie-Apokalypse, da sagt er "Knackknackkikeriki", holt mit 50 beinahe die verpasste Einschulung nach, und schon sind wir beim Wesen des Deutschen: "Räum auf, die Putzfrau kommt!" Prostata kann er übrigens auch. Er selbst sagt zu dem herrlichen Durcheinander: "Ich versteh' das ja alles auch nicht." Egal, einfach weitermachen. Bitte!

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