Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Meint er's ernst?

Gerd Dudenhöffer im Lustspielhaus

Von Thomas Becker

Er sieht aus wie immer: Batschkapp, Hosenträger, kariertes Hemd, Schaffbux. Auch die gut abgehangenen Lebensweisheiten (1. Früher war alles besser. 2. Hinterher ist man immer schlauer.) platziert der Becker Heinz gleich in den ersten zwei Minuten, gefolgt vom ersten Verdreher ("Die Geburt der späten Gnade"). Und doch ist "Vita. Chronik eines Stillstandes", Gerd Dudenhöffers 16. Solo-Programm in 35 Bühnenjahren, anders als seine Vorgänger. Nämlich verdammt nah an ihm dran. So scheint es jedenfalls.

Gerd Dudenhöffer ist keiner, den es jenseits der Bühne ins Scheinwerferlicht zöge, der in jeder Comedy-Show einen Fünf-Minüter spielen müsste. Seine Facebook-Seite hat gerade mal 2000 Likes. Der 66-Jährige zählt zu den Stillen dieser rabaukigen Szene. Dem heuer verliehenen Deutschen Kleinkunstpreis sind auf seiner Homepage drei dürre Sätze gewidmet. Könnte daran liegen, dass es sich dabei um den Ehrenpreis des Landes Rheinland-Pfalz handelt - und mit Auszeichnungen vom ungeliebten Nachbarn tut man sich als Saarländer schwer. Wobei Dudenhöffer in der Heimat lange nicht mehr so beliebt ist. 1996 bekam er noch den Saarländischen Verdienstorden, man war stolz, dass ein Saarländer im "Reich" erfolgreich war. Das änderte sich: Durch die Figur des tumben Spießers Heinz Becker, dem Abbild eines Kollegen und seines Bruders, die in den 80ern bei ihm eine Holzdecke eingezogen hatten, sahen sich viele Saarländer in toto als bornierte, naive Dummschwätzer verunglimpft. Ein Effekt, der auch im Lustspielhaus einsetzt. "Meint der das ernst?", fragt die Nachbarin verunsichert, als der Mann mal wieder über Ausländer philosophiert: "Es heißt jo immer: Man müsste der Ausländerfeindlichkeit viel mehr die Stirn bieten. Ei joo. Aber es muss joo ned mei Stirn sinn."

Der Becker Heinz meint das ernst, Dudenhöffer natürlich nicht. Der streicht Spielorte, an denen sein Geschwätz ernst genommen wird. Ins Lustspiel wird er wohl wiederkommen. Dessen Publikum folgt seinem Marsch durch die Jahrzehnte, vom verklemmten Nachkriegs-Deutschland bis in die Gegenwart. Stillstand? Keine Spur.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2015
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