Kurzkritik:Mehr als zwei Noten

Bach-Collegium unter Oksana Lyniv im Herkulessaal

Von Paul Schäufele

Das ist sie, eine Maestra. Wenn Oksana Lyniv, ehemals Assistentin von Kirill Petrenko, vor dem Orchester steht, kann ihr kein Lapsus passieren, so scheint es. Mit minimalen, symmetrischen Bewegungen organisiert sie den Klang. So spielt das Bach-Collegium Schuberts achte Symphonie auch: glasklare Sechzehntel am Anfang, intelligente Phrasierung, sorgfältig gestaltete Mittelstimmen, kontrolliertes Vibrato. Nur, der Funke springt nicht über; da ist zu viel Planung, wo ein Geschehenlassen am Platz wäre.

Ähnliches gilt für Christian-Pierre La Marca. Für seine Interpretation des Cellokonzerts Nummer 1 in C-Dur von Joseph Haydn gibt es kaum einen visuellen Beleg, von gelegentlichem Fersenstampfen abgesehen. Er spielt schön, sauber, brav, aber auch ihm gelingen nur wenige überzeugende Momente. Nach diesem Blick ins Herbarium überzeugt das ohnehin klangfarbensensible Spiel von Ran Jia doppelt. Mozarts Klavierkonzert Nummer 18 B-Dur, KV 456 wird bei der chinesischen Pianistin zur Lebenserzählung. Jia hat verstanden, dass ein Triller mehr ist als zwei Noten, die sich so schnell wie möglich abwechseln. Jede Verzierung hat einen Sinn, jede Stelle ihre Farbe. Der langsame Satz ist ein Wunder - an Anschlagskultur, aber auch an Atmosphäre. Mühelos reagiert Jia auf die abrupten Stimmungswechsel. Die Moll-Eintrübungen bleiben im Gedächtnis. Beinahe ideales Gleichgewicht zwischen Innen und Außen, kammermusikalischer Intimität und virtuoser Spielbrillanz finden Jia und La Marca in Beethovens Tripelkonzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester, verstärkt durch Markus Wolf. Ihm, dem versierten Ensemblespieler, ist es auch zu verdanken, dass das Werk nicht zur Kombination dreier Solokonzerte mutiert, sondern zum Modellfall musikalischer Kommunikation wird. Flankiert von Wolf und Jia taut sogar der Cellist auf, genießt die Solopassagen und nimmt die Angebote zum Dialog im Rondo-Finale an. Diese Steigerung an Spielfreude bleibt nicht unbemerkt.

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