Kurzkritik:Mann mit Manieren

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Der Blues-Musiker John Mayall in der Muffathalle

Von Oliver Hochkeppel, München

Der "Officer Of The Order Of The British Empire", der er seit 2005 ist, hat tatsächlich gute Manieren: Pünktlich wie ein Maurer kommt John Mayall auf die Bühne der Muffathalle, Fanfaren oder Ähnliches braucht er nicht, eine Vorband schon gleich gar nicht. Gewissenhaft wird er fortan jeden Titel ansagen, sich am Schluss artig bedanken, zwischendurch höflichst beim Techniker um besseren Monitor-Sound bitten und mehrfach seine "Bigband" vorstellen: Da sind jetzt nur noch die Chicago-Boys Greg Rzab am Bass und Jay Davenport an den Drums übrig geblieben.

So wenige waren es noch nie, dafür kann man sich besser denn je auf das Ein-Mann-Orchester John Mayall konzentrieren. Er spielt ja nicht nur E-Piano, Orgel und Keyboards, sondern auch E-Gitarre und Bluesharp. Und er singt natürlich, wobei für ihn Ähnliches gilt wie das, was Ella Fitzgerald einst über Hilde Knef sagte: Er ist einer der größten Sänger ohne Stimme. Wer diese spezielle Brüchigkeit Mayalls Alter zuschreiben will, der kann auf alten Alben oder Bootlegs hören, dass es schon vor 30 Jahren kaum anders klang. Für fast alles, was John Mayall auf der Bühne macht, gilt: Es interessiert ihn überhaupt nicht, ob er es virtuos beherrscht, er macht es einfach, so gut er kann. Weil er es will und er etwas damit zu sagen hat. Das unterscheidet ihn dann auch von seinen Begleitern. Die könnten seine Enkel sein und sind instrumental bestimmt geschulter, klingen aber trotzdem deutlich braver und - ja, älter.

Womit wir dann doch beim Thema wären, es lässt sich ja nicht ausblenden. 83 ist Mayall jetzt, steht und bewegt sich aber unbeschwerter auf der Bühne als die meisten im Schnitt 20 Jahre Jüngeren im Parkett. Eine musikalische Revolution durfte man von ihm nicht erwarten, ein neuer Mayall-Titel wie "Don't Deny Me" könnte auch von 1985 oder 1968 stammen. Aber darum geht es nicht, sondern um diesen immer noch emotional packenden Mix von Slow Blues über R & B bis hin zu Jazzrock-Ansätzen und mit Texten, die vom Blues-Leiden zum unverblümten politischen Protest überleiten. Das ist zeitlos, wenn nicht aktuell, und so haben all die Kritiker zwar wenig Fantasie, aber eben Recht, die zu John Mayall seit Jahren schreiben: Der Blues hält ihn jung.

© SZ vom 28.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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