Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Märchenhaft imaginiert

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Kammerphilharmonie Bremen in der Residenz

Von Klaus Kalchschmid, München

Was für ein schönes Entreé zum großartigen Konzert mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen im Herkulessaal der Residenz: Das "Waldweben" aus Richard Wagners "Siegfried" erklang in der sogenannten "Konzertfassung" des Dirigenten Hermann Zumpe, unter dessen Leitung 1901 das Prinzregententheater mit den "Meistersingern" eröffnet wurde. Er verschmilzt die Szene des vor sich hin träumenden Siegfried mit dem Finale des zweiten Aufzugs, wenn ihn der Waldvogel (hier instrumental silbrig schimmernd als Xylophon) zu Brünnhilde führt. Paavo Järvi gelang dabei mit seiner Kammerphilharmonie eine zart schraffierte, in den exquisiten Holzbläser-Soli geradezu märchenhafte Imagination der Szene.

Ludwig van Beethovens viertes Klavierkonzert verströmte danach keinen geringeren Zauber, zumal Elisabeth Leonskaja am Flügel mit wunderbarer Musikalität und Reife in einen immer wieder neuen Dialog mit der hellwach aufmerksamen Kammerphilharmonie trat: sei es im ersten Satz als Prima inter Pares, im zweiten, indem sie traumverloren einsame solistische Kontraste setzte zum vorlauten Kollektiv, oder heiter gelöst akzentuierend und parlierend im dritten Satz. Die vierte Symphonie von Johannes Brahms, uraufgeführt 1885 und konzentrierter Gipfel romantischer Symphonik, wurde danach zum Ereignis: Selten hört man derart sanfte Keuschheit in den wie leise Orgelmusik klingenden Holzbläser-Chorälen des "Andante moderato", soviel herbe Attacke in den Bässen oder im Tutti und ein immer wieder so emphatisch sich aussingendes Melos in den hohen Streichern.

Zugleich vermochten Järvi und das warm und weich, aber auch scharfkantig musizierende Orchester mit flexibler Tempogestaltung der "entwickelnden Variation" (Schönberg) des Terzen-Themas im Kopfsatz ebenso gerecht zu werden wie der vorwärtsdrängenden Passacaglia des Finales, dem gar nicht so heiteren "Allegro giocoso" oder der Melancholie des langsamen Satzes.

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Quelle:
SZ vom 18.12.2017
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