Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Lyrisch rasant

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Gautier Capuçon und Yuja Wang harmonieren im Herkulessaal

Von Andreas Pernpeintner, München

Natürlich könnte man den ersten Satz aus der Cellofassung von César Francks A-Dur-Violinsonate schwelgerischer spielen, als dies der Cellist Gautier Capuçon und die Pianistin Yuja Wang im Herkulessaal tun. Doch ist es keineswegs mangelnde Hingabe, die die beiden hier leitet, sondern eine kluge Dramaturgie (immerhin handelt es sich um ihr aktuelles CD-Programm). Dazu gehört auch die Entscheidung, selbst in den opulentesten Werken klanglich schlankere Momente aufzuspüren, die Musik stringent im Fluss zu halten und insbesondere die Interaktion der beiden Instrumente zu beleuchten. Das Hörerlebnis, das sich daraus ergibt, ist akkurat und perfekt austariert.

Besser kann man kaum zusammenspielen. Capuçon und Wang lassen einander ausreichend Raum zur Entfaltung. Wenn etwa in Francks Sonate Reminiszenzen an das Anfangsthema eingeflochten sind, steht Capuçons Cello glasklar im Vordergrund. Anschließend, bei Chopins quicklebendiger Introduction et Polonaise brillante op. 3, kann Wang ihre bewundernswerte Technik demonstrieren. Chopins Klavierpart ist hier oft mehr verzierungsreiche Umspielung der Cellostimme als deren Begleitung, und Wang hätte reichlich Gelegenheit zu vordergründigem Effekt. Stattdessen wählt sie eine möglichst zarte Gestaltung. Sehr fein.

Deutlich ernster geht es in Chopins Cellosonate op. 65 zu. Gewiss, das Scherzo ist kurz und präzise, das lyrisch versonnene Largo beglückend (bei Capuçon und Wang angenehm unprätentiös), das Finale allegro betriebsam. Das eröffnende Allegro moderato aber ist eine intensive, ausgedehnte Zwiesprache der Instrumente. Ohne je schwermütig zu klingen, empfinden Capuçon und Wang den Dialog tiefgründig nach. Umso wirkungsvoller ist der maximale Kontrast der Zugabe: Die rhythmische Rasanz, die prägnanten Glissandi und die geräuschhaft beherzte Tongebung bei Piazzollas "Le Grand Tango" fügen dem Konzert noch eine neue Ausdruckskomponente hinzu.

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Quelle:
SZ vom 16.01.2020
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