Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Lettischer Bund

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Organistin Iveta Apkalna mit dem BRSO

Von Klaus P. Richter, München

Ein heftiger Fortissimo-Akkord eröffnete ein Treffen besonderer Art in der Gasteig Philharmonie: zwischen zwei Klangkolossen, dem großen Sinfonieorchester und der Orgel mit 6000 Pfeifen. Das sorgte im Konzert für Orgel, Orchester und Pauken von Francis Poulenc für mächtigen Sound. Aber auch für eine heikle Dialektik souveräner musikalischer Individuen. Denn Johann Sebastian Bach, der größte Orgelmeister, hatte sich einst für die Orgel entschieden, wenn er ihr das "Concerto" übertrug.

Erst im sinfonischen Rausch des 19. Jahrhunderts fanden sich Orchester und Orgel zu allerhand ambivalenten Paarungen zusammen. Bei Poulenc wurde dieser Umgang nach der Orgelfanfare bald zu einer Revue raffinierter Klangspiele. Iveta Apkalna, die strahlende Organistin aus der Hamburger Elbphilharmonie, dialogisierte in ausgefeilten Registrierungen an der Klais-Orgel mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks - samt den markanten Kommentaren der Pauke. Das war die Vorführung sämtlicher Klangmöglichkeiten der sinfonischen Konkurrenz. Zwischen morbiden "Andante"-Subtilitäten konnte ihre Maestra im zirzensischen "Agitato" auch die Virtuosität auf vier Manualen und Pedal zeigen - ein Konzept mit einer Prise surrealen französischen Parfums, von Mariss Jansons aber mit suggestivem Gestus hochromantisch inszeniert. Schon der fein abgeschmeckte Appetizer mit Berlioz "Le Carneval romain" wies die Richtung.

Auch die andere sinfonische Orgel-Kollaboration, die Orgelsinfonie von Camille Saint-Saëns, atmete französische Spätromantik. Zwar Franz Liszt gewidmet, paraphrasiert sie sakrale Archaik mit dem "Dies-Irae"-Thema und eklektische Fantastik. Die Orgel allerdings blieb nur episodische Dekoration. Dafür konnte Apkalna in der Zugabe, einer Toccata des Rigaer Komponisten Aivar Kalejs über den Choral "Allein Gott in der Höh'", prominent präsent im Doppelpedal, nicht nur solistische Virtuosität demonstrieren, sondern auch das lettische Genre, das sie mit Mariss Jansons verbindet. Begeisterter Applaus für alle als Auftakt zu einer europäischen Tournee.

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Quelle:
SZ vom 16.03.2019
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