Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Leistungsschau

Die 18-jährige Pianistin Marie Sophie Hauzel zeigt bei ihrem Konzert im Gasteig, dass sie ganz schön ehrgeizig ist - vielleicht zu ehrgeizig

Von Barbara Doll

Das Programm lässt staunen: Anstelle des Aperitifs kommt gleich die Martinsgans auf den Tisch. Die Klavierbearbeitungen der beiden Bach-Choralvorspiele "Ich ruf zu Dir, Herr Jesu Christ" und "Jesu bleibet meine Freude" können emotionale Abgründe öffnen, die allein für ein Konzert ausreichen. Die 18-jährige Pianistin und Mozarteum-Studentin Marie Sophie Hauzel lässt die Stücke aber ohnehin nicht zur Martinsgans auswachsen. Beim Konzert in der Reihe "Winners & Masters" im Kleinen Konzertsaal des Gasteigs spielt sie Bach durchaus stringent und technisch einwandfrei. Doch es fehlt die innere Verbindung, die Idee, die über den Notentext, über Pedalwirkungen und große Crescendi hinausgeht.

Von Bach aus arbeitet sich Hauzel einmal quer durch die Klavierliteratur. Die stilistische Vielfalt soll die Vielseitigkeit der Künstlerin bezeugen, hinterlässt aber auch den zwiespältigen Eindruck des Abarbeitens. Liszts "Funerailles" liegen der Pianistin mit ihrem äußerst kraftvollen Anschlag gut. Wie harte Schläge meißelt sie die tiefdunklen Botschaften der linken Hand heraus. Die "Oiseaux tristes" aus Ravels "Miroirs" sind reine Anschauung; Hauzel erreicht einen spontanen, spielerischen Ausdruck nahe an der Improvisation.

Mit einer Ruhe, die auch den Bach-Bearbeitungen gut getan hätte, lässt sie sich auf Brahms' Intermezzi op. 117 ein, deren erstes sie wunderbar elegisch ausspielt. Brahms' Altersmelancholie werden spürbar. Doch auf die Bedeutung von Pause und Stille scheint sie noch nicht viel zu geben: Ehe das Publikum nachhorchen und applaudieren kann, stürzt sich Hauzel schon - mehr oder weniger attacca - in Beethovens 32 c-Moll-Variationen. Hier trumpft sie wieder effektfreudig mit der kräftigen Linken auf, wie auch in Ginasteras "Danza de la moza donosa" und Glinkas "Valse Fantasie", bearbeitet von Vyacheslav Gryaznov. Was noch schön wäre: ein wenig mehr Innehalten und ein wenig mehr Natürlichkeit bei Lächeln und Verbeugung.

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Quelle:
SZ vom 11.11.2019
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