Kurzkritik:Langer Atem

Der junge Pianist Filippo Gorini im Herkulessaal

Von Andreas Pernpeintner

Der junge italienische Pianist Filippo Gorini ist schon hochdekoriert (unter anderem als Sieger des Bonner Beethoven-Wettbewerbs 2015), der Herkulessaal bei "Klassik vor Acht" bestens gefüllt. Gorini ist außerdem, das wird schnell deutlich, ein sehr erwachsener junger Pianist. Das gilt für seine Programmauswahl, das gilt für seine Spielweise. Wie er zu Schuberts c-Moll-Impromptu (dem ersten Stück aus op. 90) ansetzt, ist exquisit: mit feinem Portato und wunderbar ausgefeilter Stimmgewichtung, die den Diskant zart leuchten lässt, den Fokus aber ebenso auf die linke Hand richtet. Das Ergebnis ist ein ausgewogener, volltönender, mit präzisen Konturen versehener Grundklang, der Schuberts Melodik sehr schön einfasst und trägt.

Das Hauptmerkmal dieses Klavierabends ist aber, dass sich Gorini gleich zweimal auf die Langstrecke ausgedehnter Variationskompositionen begibt. Den Anfang machen Schumanns Geistervariationen. Auch hier passen Gorinis Tongebung und gestalterische Handschrift hervorragend - und sollte der Eindruck nicht trügen, dass er die geschwinderen Variationen manchmal im Ton etwas flüchtig werden lässt, passt das immerhin zum Geisterhaften, das den armen Schumann beim Komponieren dieser Variationen, unmittelbar an der Schwelle zum psychischen Niedergang stehend, heimsuchte.

Nun, der Eindruck hat nicht ganz getrogen. Auch bei Beethovens Diabelli-Variationen verfällt Gorini zwischendurch leicht ins Huschen. Die Gesamtwirkung beeinträchtigt das nicht. Bieten Variationsfolgen in ihrer Vielteilig- und Vielseitigkeit stets die Möglichkeit, ganze pianistische Welten an Ausdrucksmomenten und spieltechnischen Herausforderungen zu erforschen, umfassen Beethovens 33 Variationen - zum Abschluss seines Klavierschaffens komponiert - gefühlt mindestens zwei Weltumrundungen. Gorini navigiert mit körperlicher Ruhe, interpretatorischer Aufmerksamkeit und dem notwendigen langen Atem vorzüglich durch das heilige Werk.

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