Kurzkritik: Längster Atem

Maurice Steeger und die Akademie für Alte Musik

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gehörte Dresden zu den glanzvollsten europäischen Höfen. August der Starke liebte die Prachtentfaltung, was Künstler aus aller Herren Länder anzog. Galt doch als Merkmal des sich hier wesentlich mitformenden deutschen Musikgeschmacks gerade die "Vermischung des Geschmacks verschiedener Völker", wie Johann Joachim Quantz, der Flötist der Hofkapelle, notierte. Quantz selbst spielt freilich keine Rolle beim jüngsten Konzert der Akademie für Alte Musik Berlin im Prinzregententheater, spielte er doch die Querflöte und nicht wie der Solist Maurice Steger die Blockflöte.

Fünf Konzerte für Blockflöte stehen im Zentrum der Auswahl, mit der Maurice Steger und die Akademie an Dresdens Glanzzeit erinnern: an Francesco Maria Veracini, Johann David Heinichen, Wilhelm Friedemann Bach und Johann Adolph Hasse, den die Italiener "Il Sassone", also den "Sachsen" oder einfach den "Deutschen", nannten - angereichert um ein Konzert Giuseppe Sammartinis und das berühmte "La Notte" von Antonio Vivaldi, die beide nicht persönlich in Dresden wirkten, aber deren Musik dort bestens bekannt war. Nun bleibt eine solche Veranstaltung mit fünf Blockflötenkonzerten natürlich ein Abend für Connaisseure der Alten Musik. Die aber scheint es auch in München inzwischen in erfreulich großer Zahl zu geben.

Doch wirkt der Abend durchaus abwechslungsreich, weil die Akademie für Alte Musik immer wieder in den unterschiedlichsten Besetzungen zusammenspielt und Maurice Steger gleich zu mehreren sehr unterschiedlich klingenden Flöten greift. Daneben verfügt er über jene Hochfrequenzenergie, die die Alte Musik immer wieder als Frischzellenkur des Klassikbetriebs erscheinen lässt. In den schnellen Sätzen treibt er im Prinzregententheater seine Mitspieler in Tempi an der Grenze des Aberwitzes vor sich her, die durchaus dem Publikum, nie aber dem Flötisten den Atem rauben.