Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Kraftjazzend

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Das "Wallace Roney Quintet" begeistert in der Unterfahrt

Von Ralf Dombrowski, München

Jazz, richtiger Jazz! Man hört die Musik in der Unterfahrt und denkt sofort: Miles Davis Quintet, Fünfzigerjahre, mit Tony Williams aus den späten Sechzigern am Schlagzeug und einem ungestümen Dave Holland der einsetzenden Electrik-Jahre am Bass. Ist es natürlich nicht, aber das Wallace Roney Quintet hat die Chuzpe, die alten Anzüge aus dem Schrank zu holen und sie mit dem Charme und der Eloquenz der Gegenwart zu tragen.

Das ist schon deshalb grandios, weil alle Musiker für sich jeweils irrwitzig Virtuoses ihren Instrumenten entlocken. Wallace Roney selbst legt als Persönlichkeit noch die Gelassenheit früherer Jahre an den Tag, jagt seiner Trompete aber mit enormem Druck den Wahnsinn post-bopender, gestalterisch weit ausschweifender Tonmäander ab. Der Tenorsaxofonist Ben Solomon wirkt demgegenüber ein wenig collegehaft verkopft, hat aber trotzdem ein immens hurtiges und professionell ekstatisches Tonvokabular zu bieten. Oscar L. Williams Jr. am Klavier hält mit modernistisch gefächerter Akkordik und einer ebenfalls dem Idiom des Hochleistungs-Bebops verpflichteten Phrasierungskunst dagegen. Curtis Lundy wiederum brilliert am Kontrabass mit wuchtig trockenem, vollem Ton und sicherem Gespür für den Funk im Swing, und der Schlagzeuger Eric Allen schließlich ist kaum zu bremsen in seinem trommelndem Überschwang und füllt die Musik mit viel Groove und noch mehr Wirbeln auf.

Das an sich ist schon ein Vergnügen, denn so kompakt bekommt man die Grundlagen des amerikanischen Jazz selten präsentiert. Darüber hinaus aber ist das Wallace Roney Quintet von einem gemeinsamen Flow der aufbrandenden, eruptiven, sich immer wieder verdichtenden Energie durchzogen, die dem Repertoire die passende Lässigkeit verleiht. Am Schluss in der Zugabe folgt dann "If I Were A Bell", bekannt geworden 1958 durch die Aufnahme des Miles Davis Quintets, in dieser Band nicht überraschend zu hören, aber wunderbar inspiriert und kraftjazzend gespielt.

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Quelle:
SZ vom 28.03.2017
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