Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Kraft und Witz

Die Berliner Rapperin Nura ­im Ampere

Von Stefan Sommer

"Guten Abend, mein Name ist Günther Jauch!" Zum bekannten Jingle der Quizshow "Wer wird Millionär?" schwirren die Lichtkegel der Scheinwerfer durch den Raum, bleiben abrupt auf den Gesichtern der Kandidatinnen kleben. Eine Million Euro kann hier heute allerdings keiner gewinnen. Der Günther Jauch auf der Bühne des Ampere ist 1,59 Meter groß, schwarz und trägt die Frisur von Uma Thurman in "Pulp Fiction".

"Willkommen zum Nura-Quiz" güntherjaucht die Berliner Rapperin - und steigt aus einem meterhohen deutschen Reisepass, den sie zur Showtür umgebaut hat, auf die Bühne. Ihre Preisfrage an das Publikum: "Wer hat keinen Schulabschluss und macht trotzdem Scheinchen? a) ganz Deutschraps, b) deine Mutter oder c) Nura." Nura alias Nura Habib Omer war zusammen mit Juju alias Judith Wessendorf SXTN. Seit 2014 formulierten sie als Rap-Duo die weibliche Antwort auf den überwiegend männlichen, deutschen Hip-Hop. Sie brachten Humor und Haltung in die Szene: SXTN war Feminismus auf die Fresse. In Songs wie "Nein heißt Nein" oder "Er will Sex" feierten Juju und Nura selbstbewusst ihre Weiblichkeit. 2018 erfolgte dann die überraschende Trennung: Juju und Nura gehen seither getrennte Wege. In ihren Solo-Songs wechselt Nura nun oft ins R'n'B-Fach: Mehr Gesang, weniger Rap. Nura tritt seit der SXTN-Auflösung freizügiger auf: Sex-positiver Feminismus statt Krawall-Rap. Nuras erstes Solo-Album "Habibi", das im März erschien, stieg in den deutschen Charts in die Top-10 ein.

Im Ampere spielt Nura Songs von ihrem Debütalbum. Mit Kraft, Witz und einer beeindruckenden Aura zeigt sie, was sie für eine Live-Performerin ist. Sie macht sich mit klaren Statements stark für Geflüchtete, tanzt mit einer LGBTQ-Regenbogenflagge über die Bühne, kifft demonstrativ wie ein Schornstein, erzählt stolz von ihren eritreischen Wurzeln - und hat trotzdem ein Gespür dafür, wann ein Konzert auch komisch sein darf. Alles in allem, sehr unterhaltsam - auch ohne Anzug, Konfettiregen und Telefonjoker.

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Quelle:
SZ vom 20.09.2019
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