Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Knappe Gesten

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Das Münchener Kammerorchester mit Jan Vogler

Von Klaus P. Richter, München

Wer im 18. Jahrhundert "Bach" sagte, meinte Carl Philipp Emanuel, und nicht Johann Sebastian. Denn als Hamburger Musikdirektor für fünf Kirchen bestimmten seine vielen Passionsmusiken, Motteten und geistlichen Lieder das dortige Musikleben. Dass er aber als Hofcembalist von Friedrich dem Großen in Potsdam auch viel von Kammermusik verstand, konnte man in der Sonntagsmatinee des Münchener Kammerorchesters im Prinzregententheater erfahren. Und wie perfekt sich der Cellist Jan Vogler auf dieses musikalische Genre versteht, erfuhr man bei Bachs zwei Konzerten für Violoncello und Orchester a-Moll und A-Dur.

Allerdings auch, wie anders Carl Philipp Emanuel Bach komponierte. Das führte der Unterschied zur großartigen Sinfonie Nr. 43 "Merkur" von Joseph Haydn vor, die das Münchener Kammerorchester als fulminanten Ausklang spielte. Der kleinteilige, ständige Affektwechsel bei Bach mit seiner Dramaturgie der knappen Gesten ist das Ende der weit gesponnenen barocken Kontrapunktkünste und die Ouvertüre zur Wiener Klassik. Der 1964 in Ost-Berlin geborene Cellist Jan Vogler vertiefte sich mit virtuoser Spielfreude intensiv und temperamentvoll in diese pikanten Erregungsmuster mit ihren jähen Spannungsspitzen, überraschenden harmonischen Wendungen und unverhofften rhetorischen Abbrüchen. Dabei eine hohe cellistische Klangkultur zu wahren, erforderte oft geradezu akrobatische Fähigkeiten.

Das Münchener Kammerorchester folgte Vogler behänd und engagiert unter der bewährten Führung von Daniel Giglberger, dessen Dynamik nicht nur musikalisch, sondern, wie immer, auch optisch allgegenwärtig war. Wie schön, dass sich dann im Largo der A-Dur-Sonate (Wq 172) mit seinem tiefernsten Lamento-Charakter auch die ganze Klangpracht von Voglers Stradivari-Instrument aus dem Jahr 1707 entfalten konnte. In der Zugabe, einer intimen Arabeske des italienischen Komponisten von Luigi Boccherini schließlich auch noch lyrisch.

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Quelle:
SZ vom 09.04.2019
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