Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik: Klassik:Historisch vital

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Festspiel-Kammerkonzert zu Webers "Oberon"

Von Rita Argauer, München

Bei klassischen Konzerten stellt sich oft die Frage nach der Hauptrolle des Abends. Entweder nehmen die Solisten diese Position selbst ein, oder die Musik wird in den Vordergrund gestellt. Beim Konzert von Christoph Hammer und Markus Schön bei den Opernfestspielen in der Sammlung Schack schieben die Musiker jedoch jeweils ihr Instrument in den Aufmerksamkeitsfokus. Und als Primadonna des Abends zeigt sich dabei die moderne Kopie eines Hammerflügels von circa 1815.

Was für ein Klang-Kabinett ist dieser Holzkasten! Er verfügt über sechs Pedale, die neben den heute bekannten Klavierpedalen auch Effekte wie Trommeln, Schnarren oder ein spieluhrenartig gedämpftes Pianissimo bereit halten. Mit Christoph Hammer hat dieser Wunderkasten jedoch auch einen herausragenden Spieler. Zusammen mit dem ebenso profilierten Klarinettisten Markus Schön erzeugen die beiden Musiker dann vor allem im Zusammenspiel energetische Spannung, dramatische dynamische Wendungen und einen mitreißenden gemeinsamen Klang, der weit entfernt von den oftmals etwas kratzig distanzierten Konzerten historischer Aufführungspraxis ist. Das Programm, das um die zweite Festspiel-Premiere - Carl Maria von Webers "Oberon" - konzipiert ist, hält Raritäten zwischen Klassik und Frühromantik bereit, die so voller Sehnsucht und neuer Gefühlsintensität erklingen.

Etwa Ferdinand Ries' g-Moll-Sonate, in der Klarinette und Hammerflügel differenzierte Dialoge führen, nebst all den lustigen und überraschenden Effekten dieses seltsamen Klaviers. Ebenso die kantablen Passagen, etwa in der Transkription von Beethovens "Adelaide" oder in Webers Variationen über ein Thema aus der Oper "Silvana". Im Kopiensaal der Sammlung Schack werden hier Instrumentenkopien vital, stolz und voller emotionaler Differenzierung gezeigt. Doch im Hören hat dieses historische Musizieren hier nichts Museales - jeder Ton wird mit unbedingtem Ausdruck und klanglicher Präsenz in die Gegenwart geschoben. Toll.

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Quelle:
SZ vom 13.07.2017
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