Kurzkritik:Kanal banal

Kurzkritik: Nebenrolle: Seine musikalische Ader lebt Jan Josef Liefers als Frontmann der Band "Radio Doria" aus.

Nebenrolle: Seine musikalische Ader lebt Jan Josef Liefers als Frontmann der Band "Radio Doria" aus.

(Foto: Michael Zargarinejad)

"Tatort"-Mime Jan Josef Liefers glänzt mit Liebesliedern

Von DIRK WAGNER

"Wo Geister sich scheiden, fangen wir erst an", singt Jan Josef Liefers an einem milden Sommerabend im bestuhlten Brunnenhof der Residenz. Selbst die Figuren, die den Brunnen inmitten des Hofes zieren, scheinen ihm aufmerksam zu lauschen. Denn das, was Liefers da singt, ist nicht nur ein Liebeslied, das die Phase des Verliebtseins längst überwunden hat. Ein Liebeslied also, das die Qualität der Beziehung auch an ihrer Streitfähigkeit misst. Daran, ob sie unterschiedliche Meinungen zulässt. "Wir sind eins, und doch nicht dasselbe", formuliert das Liefers.

Gleichwohl er damit nach eigenem Bekunden seine private Beziehung (mit Anna Loos) beschreibt, richtet sich sein Liebeslied nämlich auch an eine Gesellschaft, die ihr Zusammenwirken ebenfalls an ihrer Streitfähigkeit messen lassen muss. Dass hierzulande mehr als siebzig Jahre lang kein Krieg stattfand, ist schließlich keine Selbstverständlichkeit. Mit leicht zitternder Stimme, die man womöglich zu Unrecht dem schauspielerischen Können des Sängers zuschreibt, erzählt Liefers darum von persönlichen Begegnungen im kriegszerstörten Syrien. Das ist gar nicht weit weg, betont er: "am Mittelmeer, wo wir doch so gerne in den Urlaub hinfahren". Dann versucht er, das Unbeschreibliche, das solchem schrecklichen Erlebnis innewohnt, mit einem Lied zu beschreiben.

Wie in seinen anderen Songs droht Liefers dabei jeden Augenblick auf einer Art "Banalenschale" auszurutschen. Doch selbstbewusst meistert er alles Banale. Als habe er es bewusst ausgesucht, um damit möglichst viele Menschen zu erreichen. Nicht aus Profitgier wohlgemerkt. Als gut verdienender Schauspieler (etwa als Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne im "Tatort") stünden ihm da andere Möglichkeiten offen. Nein, Liefers und seine Band Radio Doria richten sich mit betonter Leichtigkeit an die Masse, um möglichst viele scheidende Geister an deren gemeinsame Verantwortung zu erinnern. Das gelingt ihnen mit einer Musik, die ohne Liebe gar nicht möglich wäre.

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