Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Kalifornisiert

Die "Beach Boys" als eigene Cover-Band im Circus Krone

Von Martin Pfnür

Es läuft bereits die Zugabe, als die Band, für die Mike Love einst vor Gericht den Namen The Beach Boys erstritt, sich vollends im Stile einer astreinen Bierzelt-Combo präsentiert. Zuerst mit "Wild Honey", dem Titelsong des gleichnamigen Albums von 1967, den sie mit dem Drummer John Cowsill am Gesang als breitbeinige Rock-Nummer fern aller Nuancen kredenzen. Und dann, man glaubt es kaum, mit "Rockaway Beach", einem Song der Drei-Akkord-Punkrocker The Ramones, der es als Teil von Loves vorab per Video-Leinwand angepriesenem Cover-Album "12 Sides Of Summer" ebenfalls auf die 42-Stücke-Setlist geschafft hat.

Ebendieses kaufmännische Kalkül ist es denn auch, das dieses eigentlich tolle Konzert verwässert. Natürlich ist es eine feine Sache, dass sich Love und der 1965 als Live-Ersatz für Brian Wilson zu den Beach Boys gestoßene Bruce Johnston immer noch auf die Bühne stellen, um deren Songs live am Leben zu halten, während das labile Genie Wilson seine aktuelle Tour wegen einer Angststörung absagen musste. Und doch bleibt hier bei aller Verve, mit der sich die neun Mann vom beschwingten Surf-Sound der frühen Jahre ("Surfin' U.S.A.") über die Großtaten des Meisterwerks "Pet Sounds" ("Wouldn't It Be Nice") bis hin zur Eighties-Tropicalia von "Kokomo" durch den Beach-Boys-Katalog spielen, ein etwas fader Beigeschmack haften.

Denn was in den immer noch magischen Harmoniegesängen nicht zuletzt durch den irre stimmbegabten Bassisten Keith Hubacher kaschiert werden kann, wird spätestens in Form von "Kokomo" oder dem Bobby-Freeman-Cover "Do You Wanna Dance?" mit Love, respektive Johnston am Leadgesang überdeutlich: Sie sind stimmlich einfach nicht mehr in der Lage, diese Songs zu tragen, klingen dünn, brüchig und eher nach Karaoke-Bar als nach Legenden. Sei's drum. Eine gute Nostalgie-Party bleibt eine gute Nostalgie-Party. Zur Not eben mit Ramones-Songs und einer versierten Cover-Band namens The Beach Boys.

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Quelle:
SZ vom 22.07.2019
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