Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:In der Balance

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Valery Gergiev und die Philharmoniker

Von Klaus Kalchschmid, München

Es war Valery Gergievs drittes Programm innerhalb einer Woche zum Einstand als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker und endlich eines mit russischem Schwerpunkt, dazu ein ebenso großartig schillernd dirigierter wie brillant aufschäumend musizierter "Don Juan" von Richard Strauss. Begonnen hatte das Konzert in der Philharmonie mit fünf Nummern aus Sergej Prokowjews "Romeo und Julia"-Ballett, mit Ausnahme der martialischen "Masken" der zweiten Suite entnommen: Von der schwer lastenden Einleitung ("Die Montagues und Capulets") entfaltete sich über hellere Szenen bis zum tragischen Ende ("Romeo am Grabe Julias") gleichsam eine große Tondichtung in fünf Sätzen, die in den vielfältigsten Farben leuchtete und bei aller Direktheit nie an Eleganz einbüßte.

Höhepunkt des Konzerts war Peter Tschaikowskys "Symphonie pathétique". Schon die langsame Einleitung des Kopfsatzes ließ die Katastrophen ahnen, die später Musik werden sollten. Wenn im Verlauf immer wieder - oft abrupt - Tempo, Intensität und Ausdruck wechselten, geschah dies stets mit enormer, elektrisierender Spannung und Präzision. Ruhelos, aber nie überhetzt und durchaus doppelbödig war das "Allegro con grazia" gespielt, manchmal schneidend scharf und im perfekten Tempo das Scherzo. Auch im großen, schwarzen "Adagio lamentoso" erschütterte der vollendete Ausgleich zwischen heftigster Expression und perfekter Klangbalance im Kleinen wie im Großen. In der trennscharfen Akustik der Philharmonie ging kein Detail verloren, wurden aber auch die großen Ausbrüche nie grell. Man müsste jede Instrumentengruppe ob ihrer Musizierkunst und -lust würdigen, das traumhaft warm und weich gespielte Klarinetten-Solo und die Hörner seien stellvertretend genannt.

Nach dem letzten, verzweifelten Verdämmern in den tiefen Streichern wollte Gergiev die Stille noch halten, aber ein paar vorlaute Beifallklatscher mussten die ersten sein.

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Quelle:
SZ vom 26.09.2015
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