Kurzkritik:Impulsiver Wahn

"Three Steps To Paradise" von den "Blindgängern" im Hoch X

Von Maxie Römhild

Lange ringt man nach Worten, nachdem "Three Steps To Paradise", die neue Inszenierung des Behindertenensembles "Die Blindgänger", zu Ende ist. Was war das? Ein Erklärungsversuch: anderthalb Stunden lang impulsiver Wahn in collagenartig angelegter Reinform. Im besten Sinne. Die fünf Darsteller entführen unter der Regie von Sacha Anema in eine archaische Welt, die aus einem asymmetrisch-geordneten Holzgerüst besteht, durch dessen Lücken und auf dessen Ebenen sich Wesen, etwa in Badekappe, Tutu und mit langem, wuscheligen Schwanz (Stephan Larro), bewegen und ihre kleine Gesellschaft zu strukturieren suchen. Dafür ziehen sie schon mal Goethe oder Machiavelli zurate. Vergewaltigung, Folter und blanker Hohn füreinander sind an der Tagesordnung.

In einem andauernden Machtkampf steigen Herrscher auf, werden gestürzt. Alle sind sie gierige Tyrannen, streben nach Geld, nach Dominanz, nach Stärke. Demnach bleibt auch keiner von ihnen lange an der Spitze. In diesem Auf und Ab aus menschlichen Schwächen, Gut und Böse, brilliert Maryna Pevzner, die einzige Frau auf der Bühne, die sich mit Inbrunst jeglicher Opferrolle entzieht, die die Männer ihr auferlegen wollen. Sie singt, sie schreit, sie tanzt wie eine Wilde.

Trotz aller Ernsthaftigkeit, die den Themen des Stücks innewohnen, ist der Besuch von "Three Steps To Paradise" kein grimmiges Erlebnis. Selbstironisch und bissig gehen die Darsteller auf der Bühne mit dem eigenen Anderssein um. Der Absurdität dieser Welt lässt sich als Zuschauer oft kaum anders als durch Gelächter begegnen. Bis zu einem bestimmten Punkt. Wenn ein eben Gekrönter (Manfred Gutermann) sich an "seiner" Frau vergeht zum Beispiel oder wenn zwei vermeintliche Wissenschaftler (Gutermann, Matthias Hartmann) lachend Experimente an einem weitgehend unbeweglichen Dritten (Markus Wiedemann) durchführen und resümieren: "Was unwert ist, ist rauszuschmeißen" - da bleibt einem dann das Lachen doch im Halse stecken.

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