Kurzkritik:Historische Praxis

Das Münchener Kammerorchester mit der Pianistin Lilian Akopova

Von Michael Stallknecht, München

Eine historisch informierte Aufführungspraxis hilft immer wieder, Komponisten in den richtigen Kontext zu rücken. So spannte das Münchener Kammerorchester (MKO) jetzt in der Allerheiligen Hofkirche zielgenau den Bogen von Mozarts Jugendsinfonie Nr. 51 zu Schuberts fünfter Sinfonie, die, wie man hier hört, noch ganz auf dem Boden der Klassik steht. Denn das MKO spielt sie im Stehen unter der Anleitung seiner Konzertmeisterin Yuki Kasai mit federnden Phrasierungen, rasanten dynamischen Verläufen und transparent aufgefächerten Farben. Aber auch Beethovens Zweites Klavierkonzert, der Entstehung nach eigentlich das erste, erscheint erst in den richtigen Proportionen, wenn es noch derart kammermusikalisch von Mozart her gedacht wird.

Zumal das Münchener Kammerorchester hier mit einer Solistin zusammenwirkt, die den Klavierpart zwar auf einem großen Steinway spielt, aber ihn dennoch mit der Feinheit eines Hammerklaviers aushört. Mit ihrem exquisiten Anschlag artikuliert Lilian Akopova die Linien intensiv durch, spielt auch Passagenwerk nie bloß mechanisch, sondern immer mit sinnvollen Akzentsetzungen, die aus den harmonischen Verläufen heraus empfunden sind. Die ausgefeilte, dabei immer natürliche Diktion verleiht Beethoven eine klassisch zurückgenommene Heiterkeit. Solche hintergründige Subtilität bewahrt sich die 35-jährige Akopova auch bei Benjamins Brittens "Young Apollo" für Klavier, Streichquartett und Streicher aus dem Jahr 1939, wobei sich die Epiphanie des jungen Gottes durchaus kraftvoll zeigt, die Pianistin auch dem Überschwang seines Tanzes gerecht wird. Apoll ist nun mal der Gott alles Klassischen, weshalb er wunderbar in dieses Programm klassisch-klassizistischer Jugendwerke passt.

© SZ vom 19.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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