Kurzkritik:Heimatlieder

Die Frankfurter Rapperin Namika spielt im Technikum

Von Dirk Wagner

Namika baut aus den Scherben ihres Lebens ein Haus. Sie reflektiert ihr Leben und bebildert es bis in die unauffälligsten Details mit Worten. Dass das funktioniert, hatte sie schon auf dem nach der marokkanischen Heimat ihrer Großeltern benannten Debütalbum "Nador" bewiesen, wo sie sogar die Gerüche benennt, die für sie ihre zweite Heimat beschreiben. Ihre erste Heimat ist da, wo sie als Tochter einer geflüchteten Marokkanerin aufgewachsen ist, in Frankfurt am Main, von dem sie träumt, er würde direkt ins Mittelmeer fließen. Denn Namika fühlt sich deutsch und marokkanisch, derweil sie in beiden Ländern als die Ausländerin aus dem jeweils anderen Land gilt.

Im ausverkauften Technikum stellt die Frankfurter Rapperin nun ihr zweites Album "Que Walou" vor, was im Berberdialekt ihrer Großeltern "Wie nichts" heißt. Auch rhythmisch betont Namika ihre marokkanischen Wurzeln, was die eher Mainstream-typische Popfärbung ihrer Musik spannend bereichert. Trotzdem fehlen in der Live-Umsetzung des neuen Albums Akzente wie das Saxofon in "Alles was zählt". Stattdessen bestimmen live Keyboards den instrumentalen Unterbau von Namikas Rap-Gesang. Wenn sie im Januar mit größerer Kulisse, wie sie sagt, nach der in München abgeschlossenen Clubtournee die großen Konzerte spielt, wird hoffentlich auch die Band erweitert. Denn so klingt vieles zu brav und unaufgeregt. Was die tolle Stimmung im Publikum dank der lautstark mitgesungenen Hits trotzdem nicht bricht.

Als stünden Namika gleich fünf Chöre zur Verfügung, wuchsen ihr neuer Hit "Je Ne Parle Pas Francais" und ihr alter Hit "Lieblingsmensch" zu einer stimmgewaltigen Aufmunterung, wie man sie nur selten so ausschöpfend erlebt. Bleibt für viele Zuschauer nur ein Problem: Wie folgt man Namikas Aufforderung und umarmt passend zum Song einen Lieblingsmenschen, wenn man zugleich mit dem Smartphone den Augenblick festzuhalten versucht, den man so dann allerdings doch nicht ganz miterlebt?

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