Kurzkritik:Heilig's Blechle

Michael Patrick Kelly läutet am Königsplatz eine Friedensglocke

Von Michael Zirnstein

Man könnte die Aktion "Friedensglocke" als vorauseilenden Gehorsam interpretieren - gegenüber den Moralhütern, die bei Pop-Konzerten die Würde des Königsplatzes in Gefahr wähnen. Und was wäre moralischer, als Weltkriegswaffenschrott aufzukaufen, einzuschmelzen, zu einer mannshohen "Peacebell" zu gießen, diese im Konzert mit einem Maschinengewehr-Schlägel zu läuten und das Publikum in einer Schweigeminute in Ehrfurcht erstarren zu lassen? Welcher Popstar macht denn so was? Michael Patrick Kelly. Andere ahnen, derlei könnte größenwahnsinnig wirken (wie die Beethoven-Büsten-gleiche Silhouette auf den LED-Schirmen), oder aufgesetzt, zumal wenn man die hehre Stille beendet mit dem profanen Ausruf "So, genug geschwiegen, jetzt ist Partytime!"

Das Erstaunliche: Kelly kann das. Weil der im Kloster Geläuterte das Geläut wie seine Rolle des Moralapostels ernst nimmt. Da geraten selbst seine Umarmungen der "wahren VIPs" auf der Rollstuhlfahrer-Tribüne nicht zur Peinlichkeit. Weil diese Aktionen bei allem Kalkül in ihrer Ausführlichkeit von Aufrichtigkeit zeugen. Und weil diese Momente beim Finale der 120 Konzerte langen "iD"-Tournee den Königsplatz ausfüllen. Die Songs des einstigen Posterboys der Kelly Family tun das oft nicht, die in Hallen wohl Pub-Spaß verbreiten, aber open air vor 10 000 Fans verpuffen.

Diese Größe erreicht der lieb über seine neue Heimat Bayern plaudernde und fies übers Publikum der am Vortag hier gegeigt habenden Anne-Sophie Mutter herziehende Sänger wohl bei seinen aufgebauschten, von Ed-Sheeran-hafter Percussivität und Coldplay-Chören getragenen Kirchentags-Pophits "Shake Away" oder "iD". Herausragend auch die Duette mit seinen Fernsehfreunden: countryhaft mit Ilse DeLange, auf Deutsch mit Johannes Oerding ("Heimat"), kuschelig mit Milow. Nicht zu vergessen seinen wichtigsten Partner, der ihm die Lust am Musizieren zurückgeschenkt habe: Gott. Dem widmet er als Ran- und Rausschmeißer "Holy". Holy Shit? Nö, Heilig's Blechle!

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