Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Gut geschüttelt

Ludwig Müller in der Lach- und Schießgesellschaft

Von Oliver Hochkeppel

Einige der besten Kabarettprogramme erzählen die Geschichte eines Abstiegs. Nun spielt Ludwig G. Müller ein Alter ego, das die - bei der realen wie bei der Kunstfigur tatsächlich vorhandene - Leidenschaft für's Dichten schon mal den Job kosten kann. Als Pharmareferent hatte dieser Müller ein durch das Schmieren der Ärzte sozusagen reibungsloses Auskommen. Doch macht erst das Anti-Korruptionsgesetz, dann Auftritte wie "Hey Arzt, sei ka Depp / Listen to the message of the Referenten-Rap" der Sache den Garaus. Was ihn - vermittelt von einem hölzelnden Kärntner Arbeitsamtsberater - zu "Radio Innwelle" führt. Für einen schnöseligen Unternehmensberaterfuzzi soll Müller auf 400-Euro-Basis ("Wir gehen da in Vorleistung") einen Ein-Mann-Radiosender fürs Länderdreieck schmeißen. Natürlich wird ihm auch da - bei der programmtitelgebenden Staumeldung "Dichter Verkehr" - die Reimerei zum Verhängnis.

Anders als der Referent kriegt der Kabarettist Müller die Kurve. Seine Schüttelreime ("Ist des Bauern Ohr fort, dann ist der Landarzt vor Ort") und vor allem seine grandiosen Dialektparodien sind sinnvoll in die Geschichte eingewoben. Und das auf zwei Ebenen: Das Radio-Thema liefert Ludwig Müller Material für Format-Persiflagen vom Wetterbericht bis zur wundervoll überzeichneten Reportage über die Schiffstaufe eines Donaudampfers, aber auch für Anspielungen auf Aktuelles wie die Flüchtlingskrise. Und die Rahmenhandlung des vor der Familie verheimlichten beruflichen Abstiegs ermöglicht gesellschaftliche Zustandsbeschreibungen.

Beides zusammen gibt Raum für famose Figuren wie den salbungsvoll moderierenden Pater Korbinian, einen tschechischen "Immobilienböhmakler" als Interviewpartner oder einen krachledernen Tiroler Motivations-Coach. Weil das alles sehr lustig ist, nie sprachlicher Selbstzweck, dafür aber zeitkritisch, darf man dichten: Willst du einen Knüller sehen, dann musst du zum Müller gehen (noch bis 24. Oktober).

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Quelle:
SZ vom 15.10.2015
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