Kurzkritik:Großes Werk

Der Chor der Erlöserkirche singt Carl Loewes "Sühnopfer"

Von Klaus Kalchschmid

Es ist immer wieder spannend, welche Passions-Oratorien im 19. Jahrhundert oftmals populärer waren als Bachs Johannes- und Matthäus-Passion, so etwa Carl Heinrich Grauns "Der Tod Jesu" oder Carl Loewes "Das Sühnopfer des neuen Bundes". Dieses mutmaßlich 1847 komponierte zweistündige Oratorium, das erst nach dem Tod des Komponisten gedruckt wurde, der heute nur noch durch seine Balladen bekannt ist, aber 17 Oratorien schrieb, sieht neben gemischtem Chor und sechs Solisten ein Streichorchester vor und war jetzt in der Schwabinger Erlöserkirche mit dem dortigen Chor und dem Satori Ensemble München zu hören, das vorwiegend aus Mitgliedern des Staatsorchesters besteht.

Stilistisch ist es an vielen Vorbildern orientiert: von barocken Komponisten wie Bach (in den Chorälen) und Händel (Chor-Fugen) über Chromatik der späten Klassik und frühen Romantik bis hin zu dramatischen Opern-Arien wie der des Judas. Es gibt Kurioses wie ein kurzes Duett zwischen Jesus und einem Schächer oder ein Arioso der Maria Magdalena mit Frauenchor, wie wir vieles, was in der Partitur als Arie bezeichnet ist, heute wohl eher Arioso nennen würden. Unter den allesamt überzeugenden Solisten, die oft in Duetten und Terzetten singen, wie Isabella Stettner (Sopran), Susanne Kelling (Alt) und Bernhard Spingler (zweiter Bass) ragten zwei unterschiedlich charakterisierende Tenöre (Sebastian Schäfer und Michael Etzel) und vor allem Bariton Sebastian Myrus heraus, der nicht ohne Grund mit seinem schönen, an Josè van Dam erinnernden Timbre alle Passagen Jesu singen durfte.

Dass dieses Werk einen Kirchenchor schon mal an seine Grenzen bringt, war bei den Männern manchmal nicht zu überhören, doch es gab viele gemischte Chorpartien, die sehr gut gelangen. Und hätte Michael Grill die Tempi immer so flexibel gewählt wie gegen Ende, wenn Loewe das Geschehen ohne deutliche Grenzen quasi durchkomponiert, wäre der Eindruck noch runder gewesen.

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