Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Großartig

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Ein Liederabend mit Günther Groissböck und Gerold Huber

Von Klaus Kalchschmid, München

Selten geben Bassisten Liederabende, doch dann sind sie etwas Besonderes. Günther Groissböck sang an der Seite des wie immer großartig differenzierten Gerold Huber am Flügel im Prinzregententheater nicht nur Robert Schumanns Liederkreis op. 39, sondern begann mit den "Vier ernsten Gesängen" für Bass von Johannes Brahms und präsentierte nach der Pause Lieder von Peter Tschaikowsky und Sergej Rachmaninow in der russischen Originalsprache.

Schon der Einstieg war großartig, ist das späte op. 121 nach Texten der Bibel doch bitterer und herber Nachklang der Bariton-Soli des "Deutschen Requiems", aber auch voll von sanftem Trost. Der 41-jährige Bass sang die Lieder mit klangvoll männlicher Stimme und einem Nachdruck, der den Texten vitalen Widerstand entgegensetzte. Ganz anders die russischen Romanzen. Spür- und sichtbar bewegt, gab sich Grossböck dem Schmerz mit ganzem Herzen hin, schrie ihn manchmal fast heraus und erzielte damit so etwas wie eine Läuterung für eine verletzte Seele. Ein Höhepunkt war die "Serenada Dona Juana", denn mit dem von der Mandoline begleiteten intimen Ständchen von Mozarts Don Giovanni hat diese Tschaikowsky-Romanze auf einen Tolstoi-Text nichts zu tun. Schon in der aufgewühlt vorwärtsdrängenden Begleitung des Klaviers ist ein wild erotisch Getriebener zu hören, der singend als das Psychogramm eines Sexsüchtigen durchgehen könnte.

Wie anders der walzerselige Nachklang eines Balls im op. 38/3, wo ein Mann ob seiner ambivalenten Liebessehnsucht nächtens wachliegt. Rachmaninows berühmtes "Ne poj, krassawiza - Singe nicht, du Schöne" über eine Frau, deren georgische Lieder das lyrische Ich an eine in der Steppe zurückgelassenes Mädchen erinnern, nahm Groissböck sichtlich mit, wie auch die anderen Romanzen. Leider gingen ihm bei der Zugabe des "Erlkönig" die Gäule durch, aber vielleicht kein Wunder nach diesem an Herz und Nieren gehenden Programm.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2018
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