Kurzkritik:Gewandte Ruhe

Lionel Bringuier überzeugt bei den Münchner Philharmonikern

Von Harald Eggebrecht

- Jugend an sich ist kein Verdienst. Doch wenn deren unbestreitbare Vorzüge, nämlich Frische, Reaktionsschnelligkeit, Wendigkeit, Energie und Auftrittslust zusammenkommen, dann ist es ein Vergnügen einem Dirigenten wie Lionel Bringuier, dem Chef des Zürcher Tonhalle-Orchesters, im Gasteig zuzuschauen, wie er mit den Münchner Philharmonikern Stücke von Hector Berlioz, Marc-André Dalbavie und Antonin Dvořák allürenfrei, ganz auf die Musik bezogen präsentiert. Endlich einmal nicht die landläufigen Standardwerke, sondern Kompositionen, die, wenn sie auch keineswegs gleichgewichtig sind, doch orchestral sehr verschieden leuchten.

Bringuier, Jahrgang 1986, begann so feurig wie akkurat mit Berlioz' Konzertouvertüre "Le Corsaire". Das ist keine elegante, dafür widerborstige, von Synkopeneinschlägen geprägte Musik. Selbst das Cantabile des Adagioteils drängt vorwärts, ganz dem aufbrausenden Temperament von Berlioz entsprechend. Als Solist in Dalbavies Flötenkonzert von 2006 zeigte der philharmonische Soloflötist Herman van Kogelenberg, wie er dieses bei allen Trillerkaskaden, schnellen Läufen und rhythmischen Finessen doch relativ konventionell-virtuose Stück souverän und in den langsamen Passagen klangschön verwirklichte. Die philharmonischen Kollegen und Bringuier waren aufmerksam bei der Sache.

Am meistens erstaunen Bringuiers Sicherheit, Übersicht und seine Ruhe auch im Getümmel. So bot er Dvořáks fünfte Symphonie nicht als manchmal lärmendes Durcheinander, aus dem dann Melodien liebenswert auftauchen. Bringuier und den Musikern gelang es vielmehr, die Empfindungskraft dieser Musik zu verdeutlichen durch rhythmische Genauigkeit, Noblesse in den Kantilenen und melodischen Einfällen und jener Klarheit, die vermeintlich urwüchsiger Musik so gut tut, weil sie entsentimentalisiert und nicht auf Effekte aus ist. So entstand Dvořáks Fünfte bei aller Kraftentfaltung schlank und federnd. Großer Beifall.

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