"Ticket übrig?" fragt ein ausdauernd Suchender einen weiß- und rauschebärtigen Alt-Hipster mit Basecap, der gerade zielstrebig auf den Eingang des ausverkauften Import/Export zusteuert. "Sorry, I don't speak german", antwortet der ebenso höflich wie verdattert und schaut, dass er hineinkommt.
Gut eine Viertelstunde später steht der weiß- und rauschebärtige Ausnahmegitarrist und Sänger Erik "Ripley" Johnson auf der kleinen Bühne des proppenvollen Import/Export und spielt mit seiner Psychedelic-Rockband Wooden Shjips ein Konzert, das wie ein wahr gewordener Hippietraum anmutet. Der formvollendet repetitive und kerzengerade nach vorn strebende Groove, den die vier bei der Präsentation ihres fünften Albums "V" (wie die römische fünf oder das Peacezeichen "Victory") fern jeder psychedelischen Verquastheit mal locker dahinfedernd, am liebsten aber forsch zupackend interpretieren, ist bei ihnen ebenso sehr oberstes Entrückungscredo wie kraftvolles Fundament für Johnsons herrlich quecksilbrige Soli, die er mit unprätentiöser Anmut passgenau und butterweich in den Takt hineinlegt.
Das Rad erfinden die in leicht abgewandelter Form nach einem dystopischen Nuklearkatastrophen-Song von Crosby, Stills & Nash benannten Wooden Shjips mit dieser Musik freilich nicht noch mal neu. Doch darum geht es ihnen auch nicht. Vielmehr will das kürzlich aus dem einstigen Westküsten-Sehnsuchtsort San Francisco Richtung Portland herausgentrifizierte Quartett mit seinen Nostalgie-Klängen "die Macht des Friedens, der Schönheit und des Widerstands" einfangen, wie Johnson auf der Band-Homepage schreibt.
"Unsere Musik soll ein Balsam sein gegen den Lärm und die Negativität", fügt er dort noch an. Natürlich kann man ein hippieeskes Unterfangen wie dieses angesichts der unguten Zeitläufte auch naiv finden, vielleicht sogar etwas vermessen. Im Verlauf dieser betörenden 90 Minuten im Import/Export funktioniert es jedoch ausgezeichnet.