Kurzkritik:Gelassen

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Herbert Blomstedt mit BR-Chor und BR-Symphonikern im Gasteig

Von Michael Stallknecht, München

Es gibt viele Aufführungen jüngerer Dirigenten, in denen man sich etwas von der Gelassenheit des inzwischen 92-jährigen Herbert Blomstedt wünscht. Bei Wolfgang Amadeus Mozarts Es-Dur-Symphonie KV 543 lässt er das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit vergleichsweise kleiner Streicherbesetzung spielen, bei Hörnern, Trompeten und Pauken sind historische Instrumente im Einsatz. Schlank, ruhig durchpulst entfaltet sich der Klang in der Philharmonie, getragen vom freien Atem eines hellen, humanen Musizierideals. Auch ohne Tempi und dynamische Gegensätze vordergründig zuzuspitzen, macht Blomstedt die vielen Überraschungen deutlich, die Mozart in der ersten seiner drei letzten Symphonien bietet. Weil die Proportionen stimmen, werden die Formteile wie von selbst plastisch, erscheinen fast räumlich greifbar.

Für die größere Besetzung von Mozarts c-Moll-Messe KV 427 hat Blomstedt ein Konzept entwickelt, das tatsächlich den Raum einbezieht. Die drei Posaunisten sind an der Seite des BR-Chors postiert, der mehrfach seine Aufstellung wechselt, um sowohl in den doppel- als auch in den einchörigen Passagen eine optimale Klangfokussierung zu erzielen. Im "Incarnatus" treten Flöte, Oboe und Fagott an die Seite der Sopranistin Christina Landshamer, um mit ihr gemeinsam zu konzertieren. Sie singt die Partie des ersten Soprans mit leichter Führung, wobei man in der Tiefe Abstriche machen muss. Die des zweiten übernimmt Tara Erraught von der erkrankten Anna Lucia Richter mit plastischer Diktion und schön ausphrasierten Koloraturen, während die Herren Robin Tritschler und Jóhann Kristinsson in Mozarts experimentellster Messe eher Beiwerk bleiben.

Die ungewöhnliche Aufstellung verdeutlicht auch den Experimentcharakter des Torso gebliebenen Werks, das hier in der älteren Rekonstruktion von Helmut Eder erklingt, nicht in einer der neueren, wie sie auch der BR-Chor kürzlich gemeinsam mit der Akademie für Alte Musik Berlin auf Platte vorgelegt hat. Der großbesetzte Chor entfaltet auch diesmal eine reiche Farbpalette, erreicht aber kaum die dramatische Energie, die dort zu hören war. Das liegt auch an Blomstedt, dem das Helle stärker liegt als das Dunkle, das freudige Es-Dur der Symphonie mehr als das pathosgeladene c-Moll der Messe. Die Aufführung bleibt geprägt von einer Musizierfreude, die sich in raschen Tempi ausdrückt, das Werk aber letztlich etwas zu rasch und leicht vorüberziehen lässt.

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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