Kurzkritik:Geknickte Flügel

Die Doppel-Uraufführung der Posterino Dance Company

Von SABINE LEUCHT, München

Bernardo Pereira Ribeiro klebt sich ein "Verboten"-Post-it nach dem anderen an die Stirn. Er bekommt ein "Ich liebe dich"-Herz umgehängt, und alles zerfällt in Scherben. Es klirrt aus den Lautsprechern, alle Glieder verspannen sich, als würden sie ihre Beziehung miteinander beenden. Es geht um Liebe im zweiten Teil einer Doppel-Uraufführung der Posterino Dance Company. "Pink And Blue" heißt er, untersucht aber mehr das Zerfließen der Gender-Grenzen bis in Mikro-Gesten hinein, als Stereotype aufeinanderzuhetzen.

Seit 2015 gehört die Company zu Münchens freier Szene. Ihren unerschrocken neoklassischen Spitzentanz mit zeitgenössischen Elementen und Tanztheater mischenden Stil entwickelt der Choreograf Gaetano Posterino seit 2001 zwischen Palermo und Wiesbaden unentwegt weiter. Zur Differenz zwischen den Geschlechtern drehte er 2018 einen ARD-Kurzfilm, der wissenschaftliche Erkenntnisse in Tanz transformiert. Umso erstaunlicher, wie undidaktisch sein neues Gender-Mosaik im HochX daherkommt - und dabei so freundlich, dass man fast vergisst, dass es vor allem das ernsthafte Engagement ist, das die beiden Kurzstücke zusammenhält.

Der erste Teil des Abends heißt "Mondo Paradiso" und setzt sich mit der Umweltzerstörung und sterbender Schönheit auseinander. Dafür erweist sich Posterinos Bewegungssprachen-Medley als prädestiniert: Vor Bildern eines Schwans in Plastik und einer im Netz gefangenen Robbe lassen vier Tänzer elegante Hebefiguren am Boden zerschellen; eben noch anmutig erhobene Hände mutieren zu Flossen, dem sterbenden Schwan knicken die Flügel. Aus Plastik sind dabei Tutus, neckische Accessoire und Tüten über den Köpfen der Tänzer, die ihnen - und dem Publikum - den Atem nehmen.

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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