Kurzkritik:Gefühlvoll

Mariss Jansons und die BR-Symphoniker begeistern

Von Ekaterina Kel

Wer hätte gedacht, dass Pinien so einen magischen Sog entwickeln können. Dem Italiener Ottorino Respighi jedenfalls gaben die Pinien in Rom im Jahr 1924 Anlass für eine symphonische Dichtung jenseits dessen, was man Klang nennt. So wie Mariss Jansons das BR-Symphonieorchester im Herkulessaal anheizt, entsteigt den Musikerkörpern und ihren Instrumenten eine Art klangliche Materie. Respighis "Pini di Roma" in den wunderbaren Händen von Jansons drückt einen mit spürbarer Kraft in den Sessel hinein, wirbelt einmal alles um, und lässt Staunen zurück.

Die vier Sätze, alle zu einzelnen Piniengruppen an verschiedenen Stellen Roms, so etwa an der Villa Borghese oder an den Katakomben, gleiten ungebremst ineinander über, den Übergang zwischen erstem und zweitem - von ekstatischem, verrücktem Tutti zum Absturz in die tiefsten Bässe - gestaltet Jansons als Achterbahnfahrt, es ist der Moment, in dem man vom höchsten Punkt aus hinunterstürzt und sich im freien Fall befindet. Die Symphoniker begrüßen den Kitsch in vollster Pracht. Man kann nicht umhin, davon in Bann genommen zu werden.

Gefühlvoll wurde es schon zu Anfang des Abends mit Ludwig van Beethovens zweiter Symphonie. Im Larghetto nutzt Jansons jede Möglichkeit aus, ein wenig auszubremsen, um den Ausschmückungen der Streicher viel Raum zu geben. Für die Würze zwischen Beethoven und Respighi war Thomas Hampson mit seinem präsidialen Bariton zuständig. Kurt Weills Vertonung von vier Gedichten des US-amerikanischen Dichters Walt Whitman sang er mit viel Gespür für die Worte. Obwohl sich stellenweise ein leises Rauschen unter die Stimmkraft Hampsons mischte, offenbarte er mit empathischer Mimik die besondere Tragik in Whitmans Dichtung.

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