Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Furioso

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Kammeroper im Hubertussaal mit "Der Barbier von Sevilla"

Von Thomas Jordan

Schon bevor das eigentliche Stück beginnt, dreht Regisseur Tristan Braun Rossini und dessen populärster komischer Oper "Der Barbier von Sevilla" eine Nase. Er zeigt die Burleske, bevor die Oper beginnt. Graf Almavia (Thomas Kiechle) zofft sich mit seiner geliebten Rosina (Katarina Morfa). Die, noch ohne Barbie-Perücke auf dem Kopf, keift völlig entnervt zurück, während beide hektisch das große Holzbett umrunden, das den Mittelpunkt der Drehbühne im Hubertussaal auf Schloss Nymphenburg bildet. Brauns Humor ist abgründiger als der seines Vorgängers Dominik Wilgenbus, der den Stil der Kammeroper über Jahre geprägt hat.

Der Witz entsteht bei Braun, indem er sich über die pathetischen Liebesgesten im Libretto aus dem Jahr 1816 lustig macht und daran eine furiose Komik entzündet. Statt um eine Liebesgeschichte geht es hier um die Story zweier in sich selbst Verliebter. Zum handlungstreibenden Moment wird das Geld. Das ist auch deshalb so unterhaltsam, weil durchs Zusammenstreichen der Figuren die verbliebenen sechs Akteure mehr Raum zur Entfaltung haben. Davon macht vor allem die junge Mezzosopranistin Katarina Morfa ausgiebig Gebrauch. Ihre Rosina singt sich in den Koloraturpartien von "Dunque io son" mit vibrierendem Sopran in den Rausch des narzisstischen It-Girls. Ihr Gegenpart, Thomas Kiechle als Almaviva, kann gelegentliche Unsicherheiten in der Höhe mit dem schüchtern-ungelenken Wesen seines Almaviva kaschieren, den er weich und geschmeidig singt. Der eigentliche Held des Abends ist ein alter Bekannter: André Baleiro, der bereits 2014 den Kaspar Hauser in der Kammeroper gab. Er beeindruckt mit seinem ausdrucksstarken Bariton, den er so tief und voluminös anlegt, dass seine Eröffnungsarie "Largo al factotum", die hier an den Auftakt des zweites Aktes nachgestellt wird, an einen Heldenbariton erinnert.

Die gewitzte Komik von Rossinis Barbier, der im Hintergrund die Fäden zieht, nimmt bei ihm einen fast schon diabolischen Zug an. Auch wenn sich hie und da ein paar kleine Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Orchester und den energisch vorwärts drängenden Sängern ergeben: Das umsichtige Dirigat von Nabil Shehata, der am Ende des Abends sogar selbst einen kleinen Auftritt bekommt, fängt sie immer wieder ein.

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Quelle:
SZ vom 27.08.2016
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